piwik no script img

Archiv-Artikel

pachls nachsichten Ohne-dass-Prinzip

Der Kabarettist HEINRICH PACHL hat links seinen festen Platz

Der März 2004 wird als Monat der feinen rechtlichen Unterschiede ins Gedächtnis der Mitbürger eingehen. Im Düsseldorfer Mannesmann-Prozess stellt die Richterin fest, dass die Akteure zwar Aktienrecht gebrochen hätten, ohne dass sie dabei aber strafrechtlich schuldig wurden.

Im Kölner Müllprozess stellt der Richter fest, dass Belastungszeuge und Angeklagter Eisermann nicht mehr genügend glaubwürdig genug ist, um wegen seiner Aussagen den Mitangeklagten Rüther zu verurteilen, ohne deswegen unglaubwürdig zu sein, so dass ihm, Eisermann, wegen seines Geständnisses strafmildernde Umstände anzurechnen seien. Das wirkt im ersten Fall ärgerlich und klingt im zweiten Fall paradox, macht aber sichtbar, wie subtil das Geflecht der Paragrafen funktioniert, wenn es nur sensibel genug angewandt wird. Den Richtern ist daraus kein Vorwurf zu stricken.

Alles andere käme dem gesunden Volksempfinden vielleicht gerechter vor, wäre aber nicht mehr rechtens. Und wenn sich am Stammtisch Überraschung und Empörung gelegt haben, stellt sich bei nüchternem Betrachten das Vertrauen in unser Rechtssystem doch wieder her – oder? Genau dieses Vertrauen haben vor allem die bitter nötig, die sich auf hohem Niveau bereichern. Regel: je schwindelerregender der Schwindel, um so wichtiger, wenn man abzustürzen droht, das Netz der Paragrafen, das dann auffängt.

Dessen Maschen werden nach bewährtem „Ohne-dass-Prinzip“ geknüpft. Klauen ohne Diebe, Schaden ohne Schufte, Rechtsbruch ohne Strafe – gemäß dem Motto: Wie können wir den Wolf satt machen, ohne dass die Geiß geschlachtet werden muss.

Solche Rechtssicherheit kann nicht hoch genug bewertet und berechnet werden. Da gilt der Erfahrungssatz, dass ein Verfahren, das Korruption zwar rechtlich verfolgt, sie durch den Prozess aber nicht beendet, vor allem zeigt, wie man es künftig noch besser anstellt. Grundregel: legal konstruieren!

Und das läuft weiter, zum Beispiel in Köln Nippes, wo die SK CORPUS neben der Trasse der geplanten Gürtelautobahn Eigentumswohnungen anbietet. In Häusern, die von der Verwaltung als Schallmauer deklariert wurden. Das verschweigt man im Prospekt den Interessenten, hat dafür eine Expertise bestellt, die besagt, dass aus dieser Faktenunterschlagung nichts Strafbares entsteht. Das wäre dann der Unterschied zwischen bescheißen und betrügen.