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Archiv-Artikel

pachls nachsichten Das macht mich volksverdrossen!

Der Kabarettist HEINRICH PACHL hat links seinen festen Platz

Der Wähler hat gewürfelt, und wer hat den Salat? Ich als Mandatsträger und Berufspolitiker – und wenn ich mich besaufe, als Vollblutpolitiker. Aber diesmal sage ich nicht „Danke für das Vertrauen“, sondern beschwere mich beim Wähler! Ich kann dieses Gesülze und Gejammere von Politikverdrossenheit nicht mehr hören! „Unglaubwürdig, inkompetent, korrupt, karrieregeil?“ Na und! Für mich kein Thema! Da machen meine Politikerkollegen oft einen entscheidenden Fehler, weil sie das in Abrede stellen, sich rechtfertigen oder sogar entschuldigen. Ganz falsch!

Da sage ich: Stimmt! Nur das kann der Wähler uns nicht zum Vorwurf machen, denn das gehört zum Politiker wie der Klingelbeutel zum Kardinal und das Arschgesicht zwischen meine Ohren! Wenn wir Politiker euch nicht für dumm verkaufen – und es gibt allerdings nur wenige, die das wirklich können –, wer soll es dann machen?

Globalisierung, Arbeitslosigkeit, Sozialhilfeantrag, Schramma, Klüngel und Fremdenhass – wie will man dann diese Welt ohne uns überhaupt aushalten: Da wärt ihr längst vom Balkon gesprungen oder hättet den Nachbarn beim Rasenmähen erschossen.

Und genau das nehmen wir dem Wähler ab, denn wir Politiker sind trainiert, ein Maximum an Widersprüchen mit einem Minimum an Berstschutz auszuhalten. Das kostet Kraft und mehr als den letzten Nerv.

Und das ist doch die Kunst: aus tiefer Überzeugung gegen die Erhöhung der Müllgebühren sein, im Stadtrat dafür stimmen, aber trotzdem die inneren Vorbehalte aufrecht erhalten können – da vollzieht sich der qualitative Sprung vom Spesenritter und Klüngelbruder zum Volksvertreter, der salto fäkale in die Unbestechlichkeit und Unverantwortlichkeit der Immunität. Und wenn man weiter mit dem Gejammer von Politikerverdrossenheit nervt, steigert sich bei mir die Volksverdrossenheit. Dann werf ich den Bettel hin. Selber machen!

Aber das will man auch nicht. Die wollen nicht regieren, sondern reagieren. Also lasse ich mich von Denkzettelwählern weder beeindrucken noch erpressen – und von Nichtwählern schon gar nicht.

Im Gegenteil, die Partei der Nichtwähler kann für mich gar nicht genug wachsen. Vor denen habe ich sogar Hochachtung, weil die eingesehen haben, dass sie nicht nur von Politik, sondern sogar vom Wählen keine Ahnung haben und besser die Finger davon lassen.

Und ich muss mich nicht mehr im Wahlkampf mit jedem Hinz und Kunz rumschlagen, sondern kann mich auf die konzentrieren, die meine Parolen aushalten. Da steigt die Trefferquote pro Wahlversprechen und Kugelschreiber, denn mit je weniger Wählern ich spreche, desto wahrscheinlicher rede ich auch mit denen, die mich dann auch tatsächlich wählen.