ortstermin: Die „Deichking“-Premiere : Dorffest mit Elvis
In der Reihe „Ortstermin“ besuchen Autoren der taz nord ausgewählte Schauplätze am Rande des Nachrichtenstroms
Elton ist da. Natürlich. Elton ist mittlerweile immer da, wenn irgendwo, irgendwas Mediales mit Eventcharakter passiert. Warum sollte der ehemalige Raab-Praktikant gerade dann fehlen, wenn Michael Söths norddeutsche Elvisfilm-Parodie „Deichking“ in einer Scheune nahe Elmshorn Premiere feiert. Eine wirkliche Rolle spielt Elton dabei nicht, weder in der Low-Budget-Produktion noch auf ihrer Party.
So funktioniert sie nun mal, die Showbranche. Und weil das auch der Regisseur Michael Söth weiß, hat er sich Elton ins Boot geholt. Hier tut Elton also, was er stets tut: Rumlaufen und rumgackern, vor Ort sein. Das passt ein bisschen zu Michael Söths Projekt. Es ist pures Provinzkino für Mitarbeiter, Freunde und Leute, die den Dilettantismus zur Kunstform erheben. Albern, überdreht, herzlich und flach wie das Land, in dem es spielt – Schleswig-Holstein. Zwischen Glücksstadt und Uetersen, Deichen, Feldern oder Landmaschinen.
Und exakt so sieht auch die Erstaufführung vor geladenem Publikum aus. Die örtliche Halbprominenz der Gegend rings um den Hof von Familie Mohr im Dörfchen Horst mischt sich etwas wackelig unter die großen Darstellernamen aus Hamburg. Uschi Nerke, das Beat Club-Fossil, wird von ergrauten Altrockern mit Cowboyhut vor Digitalkameras gezerrt und Lotto King Karl zieht pausenlos eine Stöckelschuhblondine über den Hof. Es gibt Prosecco aus Dosen, Bier in Plastik, Pralinen mit Filmlogo und die Feuerwehr passt auf.
Torfrock-Sänger Klaus Büchners plattdeutscher Sopran hallt währenddessen permanent durch die Reihen und alle rufen sie pflichtbewusst „Ameisenscheiße“ im Chor, als sie gemeinsam vor einer beachtlichen Meute Pressefotografen posieren. „Das ist hier ein Dorffest“, sagt Söth, der Eingeborene, und hetzt zum nächsten Händeschütteln, „so wie der Film“.
Der Film, tja. Gelungen oder nicht wäre die falsche Kategorie. Schließlich ist er eine unablässige Antwort auf sein knappes Budget von 60.000 Euro, das zu großen Teilen der Feier zum Opfer gefallen sein dürfte. Und es ist eine Selbstreferenz Michael Söths, im Hauptberuf Industriefilmer, der sich mit ihm quasi eigengecovert hat. „Deichking“ ist ein Remake seines zwölf Jahre alten Videos über Fiete Hansen, einen holsteinischen Landwirt, der sich aus Frust über die bäuerliche Alltagstristesse ins Andenken Elvis Presleys stürzt und hinterm Leuchtturm zum hüftschwingenden Sänger mutiert.
Klingt blöd? Ist blöd! Entwickelt aber wie so viele C-Movies seinen Charme in der Verwaltung des Mangels als Prinzip. Fehlende Ernsthaftigkeit in Mimik, Gestik, Ausdruck, Kostüm. Weitestgehende Abwesenheit filmischer Professionalität; einzig Ärzte-Drummer Bela B. gibt sich als Rock‘n‘Roll-exorzierender Pastor darstellerisch seriös. Oder hat er das Konzept nicht verstanden? Sei‘s drum – das Projekt folgt anderen Grundsätzen. Vor allem einem: Entertainment, wie es der Regisseur nennt. Bei der Urversion ist ihm damit ein echter Kultstreifen gelungen. Bundesweit. Was dank neuer, klingender Namen seinem Nachfolger erst recht glücken sollte, wenn er nach dem Hamburg-Start am 13. Juni in die Programmkinos kommt. „Ich will die Leute unterhalten“, sagt Söth nach der Vorführung selig, „mehr nicht.“
Das gelingt ihm an diesem Abend insgesamt vortrefflich. Die rund 400 Besucher johlen bei jedem Scherz Richtung 40-Quadratmeter-Leinwand. Szenenapplaus, Mitsingen, am Ende stehen alle auf den Holzbänken und ertragen sogar die kreischende Abmoderation eines Formatradioblondchens mit gequetschtem Dekolleté und Namen Nicki. Danach gibt es Bier und Livemusik von Torfrock über Ohrendfeindt bis hin zum Elvisimitator John Barron, dem Hauptdarsteller. JAN FREITAG