on the rail again : Überall blinkt es
Henning Kober bereist per Interrail Europa. Heute: Warszawa
Samstag, 15.58 Uhr. Schnell noch eine Wahl: Ein Kreuz auf dem Briefwahlbogen für die Europawahl. Es ist eine Sympathiewahl. Los, jetzt, schnell in siebzig Minuten startet der Berlin-Warschau-Express am Ostbahnhof. Ich stemme den Rucksack auf meinen Rücken, zum ersten Mal, er ist natürlich viel zu schwer.
Samstag, 19.54 Uhr. Langsam rollt der Zug aus Poznań, halbe Strecke nach Warschau. Mir gegenüber sitzt Jarek, ein Elektriker, 55, der die letzten zwei Monate in Deutschland gearbeitet hat und jetzt nach Hause zu Frau und erwachsener Tochter fährt. Durch das Fenster rauscht vorbei eine Volkswagenfabrik, McDonald’s, ein riesiges Lager der Lebensmittelkette Tesco. Jarek sagt: „Wir sind die zweiten Albaner.“ Er malt ein dunkles Bild von Polen. Und liebt doch seine Heimat. Weite Natur zieht vorbei, dazwischen kleine Häuschen, unbeschrankte Bahnübergange. Das Gras steht in sanften Wellen. Jarek sagt, bald ist Sommer.
Samstag, 22.35 Uhr. Warszawa Centralna Station, vor einem Imbiss sitzen drei Jungen trinken Królewskie-Bier, im Hintergrund läuft ein Fernseher. CNN „Breaking News“, Ronald Reagan ist tot. Ich nehme ein Taxi ins Hotel Metropol. Die Spitze des Palasts für Kultur und Wissenschaft liegt im Nebel. Überall blinkt es, Olympus, Sharp und Agfa.
Sonntag, 10.11 Uhr. Im Metro-Jazzclub, wo das Frühstück serviert wird, läuft J-Lo, „Jenny from the Block“, und Jana, das Mädchen hinter der Bar, hat dunkle Ringe unter den Augen.