olympisches doping : Ertappte Sportler, gute Spiele
Die Botschaft war unmissverständlich. Weniger jene von Jacques Rogge, dem Präsidenten des Internationalen Olympischen Komitees (IOC), der gestern sagte, die Spiele seien „stärker als der Einzelne“. Töne dieser Art hatte es auch früher schon gegeben, nur meist hatten sie sich später als Lippenbekenntnisse herausgestellt. An Deutlichkeit nichts zu wünschen übrig ließ jedoch jene Botschaft, welche die medizinische Kommission des IOC am Donnerstag aussandte. Kaum hatten Kostas Kenteris und Ekaterini Thanou das olympische Dorf in Athen betreten, da standen schon die Dopingkontrolleure auf der Matte, um ein Portiönchen Urin und ein paar Tröpflein Blut zu ergattern. Das Einzige, was den solchermaßen überraschten Sportlern blieb, war eilige Flucht.
KOMMENTARVON MATTI LIESKE
Die größten Sporthelden eines Gastgeberlandes Olympischer Spiele auf diese Art heimzusuchen, das wäre in der Vergangenheit nicht denkbar gewesen. Viel zu wichtig war den IOC-Oberen der schöne Schein ihrer Spiele, die Illusion vom reinen und fairen sportlichen Wettkampf, die ungebrochene Begeisterung der einheimischen Bevölkerung. Diese hat durch den Sturz der hellenischen Sprint-Heroen ohne Zweifel einen schweren Dämpfer erhalten, auf die bisher schon äußerst schleppenden Kartenverkäufe wird sich das ganz gewiss nicht positiv auswirken.
Jacques Rogge und Richard Pound, der wortgewaltige Chef der Welt-Antidopingagentur (Wada) nehmen den Imageverlust bewusst in Kauf, sind aber emsig bestrebt, ihn in einen Imagegewinn umzudefinieren. Galt dem IOC einst jeder enttarnte Sportbetrüger, vor allem während der Spiele, als schwerer Schlag ins Kontor (und Konto), verkündet der oberste Olympier nun, jeder Athlet, der erwischt werde, sei ein „Sieg für den Sport“.
Dass Rogge daran tatsächlich glaubt, zeigt nicht zuletzt die gezielte Aktion gegen Kenteris und Thanou. Ihre Bloßstellung war der bislang letzte Schritt einer Antidopingpolitik, die zuvor schon mit einer Vielzahl von Trainingskontrollen und den neu installierten Tests auf Wachstumshormone eine Konsequenz signalisiert hatte, wie man sie bislang bei Olympia nicht kannte. Die Chance, dass Athen 2004 als „Doping-Spiele“ in die Annalen eingeht, ist entsprechend groß. Das ist ein gutes Zeichen.