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olympiafieberKandidat für die Spiele 2012 ist: Rhein-Ruhr

Babylonisches Stimmengewirr

Am 3. November wird das Nationale Olympische Komitee für Deutschland (NOK) bekanntgeben, ob es sich um die Ausrichtung der Olympischen Spiele 2012 bewerben wird. Wie die Entscheidung ausgeht, scheint bereits abgemachte Sache, spannend ist allein noch die Frage: Welcher deutschen Stadt traut das NOK zu, gegen Metropolen wie Rom, New York oder Paris bestehen zu können? Die taz nimmt die Kandidaten unter die Lupe. Heute: Düsseldorf und die Rhein-Ruhr-Region

Es war am am 22. August, der frühere Krupp-Manager, Kunstmäzen und IOC-Funktionär Berthold Beitz (87) hatte eingeladen, als sich gut 120 Persönlichkeiten aus Wirtschaft, Medien und Politik in der noblen Essener Villa Hügel trafen. Zusammengekommen war die erlesene Runde, um über den Traum von Olympischen Spielen in der Rhein-Ruhr-Region zu debattieren. Auch wenn Vertreter von Telekom, Ford, Opel, Lufthansa, Ruhrgas und RWE anwesend waren, so sprach Ministerpräsident Wolfgang Clement doch nicht über schnöde Dinge wie Geld, von dem in der ersten Phase der Bewerbung 45 Millionen Mark nötig sind. Nein, die eigentliche Botschaft des Treffens sei „die außerordentliche Gemeinsamkeit und Einigkeit, mit der wir das ehrgeizige Ziel verfolgen“.

Die Formel der Eintracht war keineswegs nur dahergesagt. Schließlich befand sich NRW – olympisch gesehen – gerade zwischen „Rhein und Aufruhr“, genau so, wie es Barde Udo Lindenberg 1982 besungen hatte. Neven DuMont, Herausgeber der Kölner Zeitungen Express, Stadtanzeiger und Rundschau, hatte nämlich tags zuvor in einem offenen Brief an Clement die rhetorische Keule geschwungen und den beschworenen olympischen Frieden gefährdet. Ganz Kölner, war DuMont vor allem ein Dorn im Auge, dass ausgerechnet Düsseldorf, das in „Regionen wie Südafrika, Australien oder Japan bestenfalls jeder Zehnte“ kenne, die Bewerbung anführen soll. Clement, ganz Landesvater, beruhigte einen Tag später; er forderte die Einstellung der Konkurrenz zwischen den beiden Städten, die seit der Schlacht von Worringen im Jahr 1288 sprichwörtlich sei, und sah in Düsseldorf „ein Klassepferd, das nur im Rhein-Ruhr-Gespann gewinnen kann“.

Eine bezeichnende Episode. Denn die Düsseldorfer Olympia-Maschinerie läuft alles andere als rund. Sage und schreibe 15 Städte wollen mitmischen in der großen Welt des olympischen Sports, außerdem noch zwei Kreise. Aachen will das Reiten, Mönchengladbach das Hockey-Turnier, Köln den Basketball, und auch exaltierte Orte wie Hamm oder Bottrop gieren nach einem Teil des Kuchens. Dass eine damit verbundene geografische Ausdehnung völlig sinnfrei ist, darüber hat offenbar noch keiner nachgedacht. Aber vielleicht propagiert die Bewerbung ja auch ein eigenwillig-futuristisches „Olympia der langen Wege“, um den Verkehr anzukurbeln. Ob aber die IOC-Mitglieder davon angetan sind, zwischen den verschiedenen Veranstaltungen immer zwei bis fünf Stunden Fahrzeit einzuplanen?

Auch hinter den Phrasen Geschlossenheit und Gemeinsamkeit, die Clement immer wieder benutzt, schimmert ein babylonisches Stimmengewirr eitler Lokalpolitiker durch. Die Bewerbung im Westen spricht mit vielen, gespaltenen Zungen. Wie sehr sich das Nationale Olympische Komitee (NOK) über Jahre hinweg Verhandlungspartner wünscht, die im Wettkampf um Sportarten heute Hü und morgen Hott schreien, lässt sich ausmalen.

Ein weiteres Manko des Düsseldorfer Olympia-Strebens: Es fehlt der Charme. Natürlich würde der kapitalstarke Westen die Olympischen Spiele wuppen, organisieren, regeln können. Aber nirgendwo ist so etwas wie eine akzentuierte Idee zu entdecken, warum sich gerade hier die Jugend der Welt treffen sollte. Das einzige Motiv, das immer wieder auftaucht, reduziert die Olympischen Spiele auf Vorteile für die momentan recht ausgetrocknete Infrastruktur des westlichen Sports: neue Sportstätten also für Rhein und Ruhr.

Aber auch in diesem Punkt treten einige Städte zuweilen neben den gemeinsamen Olympiapfad, wie die Vorstellung des neuen Müngersdorfer Stadions im Juli zeigte. Vor dem Modell stehend, wurde der Kölner Oberbürgermeister Fritz Schramma nach den Chancen Kölns im Rahmen der Olympiabewerbung gefragt. Schramma, einigermaßen irritiert, fragte den lokalen Fernsehmann, ob er in dem Stadionmodell denn Leichtathletikbahnen entdecke. Der Reporter spähte – und konnte keine erblicken. Dass die Leichtathletik eine olympische Kernsportart ist, war den Stadtvätern, die das Stadionprojekt finanzieren, offenbar nicht in den Sinn gekommen. Oder die Olympischen Spiele sind doch nicht so wichtig. Und nur ein Mittel der städtischen Öffentlichkeitsarbeit. ERIK EGGERS

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