olympiafieber: Kandidat für die Spiele 2012 ist: Hamburg
Schill als Bremsklotz
Am 3. November wird das Nationale Olympische Komitee für Deutschland (NOK) bekannt geben, ob es sich um die Ausrichtung der Olympischen Spiele 2012 bewerben wird. Wie die Entscheidung ausgeht, scheint bereits abgemachte Sache, spannend ist allein noch die Frage: Welcher deutschen Stadt traut das NOK zu, gegen Metropolen wie Rom, New York oder Paris bestehen zu können? Die taz nimmt die Kandidaten unter die Lupe. Heute: Hamburg.
Über 100 Jahre sind seit den ersten Olympischen Spielen der Neuzeit vergangen. Doch wer etwas zur „Philosophie der Hamburger Bewerbung“ wissen möchte, wird weit tiefer in die Annalen verwiesen. Von „hansischen Ideen“ ist da in einer offiziellen Broschüre die Rede, von „ehrbaren Hamburger Kaufleuten“, die sich – beflügelt von britischem Ideenimport – in „begeisterte Sportsmen“ verwandelten. Wie „ehrbar“ im Sinne der alten Hanse einige der neuen Hamburg-Repräsentanten noch sind, darüber gehen aber die Meinungen auseinander, nachdem die Wahl im September mit Ronald Schill einen polternden Rechtspopulisten in den Sessel des Innensenators gehievt hat. Der ist zwar nach dem neuen Senatszuschnitt nicht mehr direkt für den Sport verantwortlich, doch Olympia war und ist immer mehr als Sport. Wie glaubwürdig also kann einer seine Stadt noch preisen, der wie Schill im Wahlkampf keine Gelegenheit ausließ, sie zur Kriminalitätshochburg zu stilisieren? Wie passt seine Forderung, Obdachlose aus der Konsum-City zu vertreiben, zum Image einer Metropole, die sich gern weltoffen nennt und genau damit auch bei der Bewerbung wuchern möchte?
„Alle wollen Olympia“, sagt der scheidende SPD-Bürgermeister Ortwin Runde. Und hat damit fast Recht. Sein letzter wichtiger Senatsbeschluss war mit CDU-Nachfolger Ole von Beust abgestimmt. In der Bürgerschaft will nur die GAL-Abspaltung „Regenbogen“ nicht einstimmen in den Chor der Ringe und lieber einen Volksentscheid herbeiführen. Frage: Will das Volk Olympia? Antwort: Schwer zu sagen. Bei Blitzumfragen nach dem Senatsbeschluss hatten die Skeptiker knapp die Nase vorn.
Das ist allemal Indiz dafür, dass eine bedingungslose Olympia-Euphorie noch nicht ausgebrochen ist. Und in der veröffentlichten Meinung scherte ausgerechnet Bild aus. Sonst gern bereit, jede Hamburgensie zum National-Event hochzujubeln, kürte das Boulevardblatt die Hansestadt Ende August gar zur „Anti-Sport-Stadt“ und fragte scheinheilig: „Realistisch? Oder doch nur Wahlkampf-Rummel?“ Inzwischen ist die Bewerbung für Bild längst wieder „eine der wichtigsten Entscheidungen für Hamburgs Zukunft“.
Die soll am Wasser liegen. Mit der Umwandlung weiter Brach- und Wasserflächen zur HafenCity will sich die Stadt südöstlich von Zentrum und Hauptbahnhof ein neues Gesicht auch für den Alltag geben. Das „unverwechselbar maritime Milieu“ (Werbebroschüre) soll auch die olympischen Entscheider begeistern. Der Olympiapark schließt unmittelbar an die Hafen-City an, selbst die Unterbringung der Olympiagäste soll teilweise auf Kreuzfahrtschiffen im Hafen erfolgen. Wie diese Gäste zu den Sportstätten gelangen sollen, könnte in der Praxis zum Knackpunkt der Bewerbung werden. Der alte Senat hatte beim Transport von täglich rund einer halben Million Besuchern auch auf die noch zu bauende Stadtbahn gesetzt. Die aber wurde von der neuen Stadtregierung schnell beerdigt, in einem Verkehrskonzept, das selbst dem ADAC zu autofixiert erscheint.
Finanziell gibt es (noch) keine Probleme. Und das schlicht auch deshalb, weil kaum seriös zu kalkulieren ist, solange die gewollte Anbindung der Region an die Nachbarbundesländer nicht im Detail geklärt ist. Fest steht bisher nur, dass rund 12 Millionen Mark in die erste Bewerbungsphase fließen sollen, 50 Prozent davon aus der Wirtschaft. Die war schon vor der Politik mit der Handelskammer pro Olympia an die Öffentlichkeit gegangen und hat mit Versandhaus-Chef Michael Otto einen der bekanntesten Unternehmer der Stadt an der Spitze der Kampagne. Derweil kann der neue Senat in Sachen Olympia kaum auf eine Schonfrist pochen, denn der Zeitdruck ist enorm. Eine Bewerbungs-GmbH muss erst noch gegründet werden.
Und was ist mit den Wahlkampf-Altlasten? Auf die Frage, ob Schill mit seinen Äußerungen der Hamburg-Kampagne nicht schon längst geschadet habe, entgegnete sein Amtsvorgänger Olaf Scholz souverän, dass das mit der Kriminalität ja nicht der Wahrheit entspreche und es nun an seinem Nachfolger sei, die Dinge wieder gerade zu rücken. Damit kann er gleich beginnen. Das NOK tagt am 3. November bekanntlich in Hamburg, um über die Entscheidung, eine deutsche Stadt ins Rennen zu schicken, zu beraten.
JÖRG FEYER
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