off-kino: Filme aus dem Archiv – frisch gesichtet
Beide Filme lassen sich sind nicht gerade als Hauptwerke ihrer Regisseure bezeichnen, doch sie passen ganz gut zusammen – und das nicht nur aufgrund der prominenten Mitwirkung Marlene Dietrichs: Sowohl Alfred Hitchcocks „Die rote Lola“ als auch Billy Wilders „Zeugin der Anklage“ handeln von Rollenspielen. Hitchcocks Krimi trägt sich im Theatermilieu zu: Weil der Ehemann eines berühmten Bühnenstars (Marlene Dietrich) ermordet wurde, schleicht sich die Schauspielschülerin Eve (Jane Wyman) als Zofe in deren Haushalt ein, um als Amateurdetektivin die Unschuld ihres tatverdächtigen Freundes zu beweisen. Hitchcock erzählt die Geschichte als eine nicht uninteressante Variation des Motivs vom unschuldig Verfolgten, bei der im Leben weit mehr Theater gespielt wird als im Musentempel: Weil der Unschuldige nämlich gar nicht unschuldig ist, werden der naiven Eve die ständigen Rollenwechsel beinahe zum Verhängnis.In „Zeugin der Anklage“ dient hingegen ein Gerichtssaal als Bühne für die Schmierenkomödie. Es treten auf: Ein des Mordes angeklagter Mann (Tyrone Power), der weder so unschuldig noch so sympathisch ist wie er zunächst wirkt, seine nur scheinbar verbitterte und herzlose Gattin (Marlene Dietrich) und ein eitler Strafverteidiger (Charles Laughton), der keineswegs so brillant ist, wie er von sich selbst glaubt. Am Ende hat jeder jeden betrogen und alle sind reichlich düpiert. Wie die meisten Agatha-Christie-Verfilmungen funktioniert auch „Zeugin der Anklage“ vor allem als Schauspielerkino, das seinen Stars Freiräume für ihre Eitelkeiten lässt: immer „over the top“ und trotzdem amüsant.
„Stage Fright – Die rote Lola“ (OF) 17.1., 21.1. im Arsenal ; „Witness of the Prosecution – Zeugin der Anklage“ (OF) 22.1. im Arsenal
***
Ein Mann wird aus der Psychiatrie entlassen. Was er denn jetzt tun wolle, fragt ihn die Leiterin des Instituts, und Ricky (Antonio Banderas) antwortet: „Arbeiten und eine Familie gründen wie jeder normale Mensch.“ Dass sich die Normalität umgehend als ziemlich doppelbödige Angelegenheit erweist, verwundert allerdings nicht: Handelt es sich bei „Fessle mich!“ doch um einen Film von Pedro Almodóvar. Die Schauspielerin Marina (Victoria Abril), eine drogensüchtige Expornodarstellerin, die sich Ricky als Mutter seiner künftigen Kinder ausgesucht hat, weiß denn auch noch gar nichts von ihrem Glück. Also nimmt Ricky sie in ihrer eigenen Wohnung gefangen und macht ihr ganz normal einen Antrag. Doch die Geschichte von Marinas Gefangenschaft entwickelt sich nicht zum Psychodrama, sondern zu einer überaus verqueren Lovestory, deren Motto Marinas Regisseur (Francisco Rabal) vorgibt, der gerade den Horrorfilm „Das Grauen kommt um Mitternacht“ dreht: Horror- oder Liebesgeschichte, meint er, das könne man sowieso nie auseinanderhalten. Gleichzeitig erweist sich „Fessle mich!“ als ein von religiöser Symbolik überbordendes Passionsdrama, in dem die Frau die stärkere Persönlichkeit ist: Ricky, der geschundene Held, findet seine Erlösung schließlich nicht im Schoß der Kirche, sondern zwischen Marinas Schenkeln.
„Fessle mich!“ (Om engl. U) 17.1. im Delphi
***
Die vielgerühmte Montage seiner Revolutionsfilme der 20er-Jahre ließ Sergej Eisenstein hinter sich, als er 1938 aus gegebenem Anlass mit „Alexander Newskij“ ein bildmächtiges Heldenepos schuf. Darin tritt der gleichnamige russische Held (Nikolai Tscherkassow, der später einen unvergesslichen Iwan den Schrecklichen geben sollte) im 13. Jahrhundert bei Nowgorod gegen fiese deutsche Ordensritter an und rettet in einer außerordentlich spektakulären Schlacht auf dem zugefrorenen Peipussee (die Ritter sind mit Pferd und Rüstung ziemlich übergewichtig und brechen auf dem Eis ein) die Einheit des Reiches. Newskijs warnende Worte waren dabei eine unverhüllte Mahnung und Drohung gegenüber Nazi-Deutschland: „Jeder kann furchtlos als Gast zu uns kommen. Sollte es jedoch jemand wagen, mit dem Schwert zu kommen, der wird durch das Schwert sterben müssen.“ Ironischerweise wurde der Film nach Abschluss des Hitler-Stalin-Pakts 1939 sofort auf Eis gelegt und kam erst nach dem deutschen Überfall auf die Sowjetunion in den russischen Kinos wieder zum Einsatz.
„Alexander Newskij“ 19.1.-23.1. im Lichtblick LARS PENNING
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen