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Fußball: Friedhelm Nanns Arbeitstag war mindestens so anstrengend wie der der 22 Akteure auf dem Feld. Was nicht daran lag, dass der Helfer der Hoffenheimer Bereitschaftsfeuerwehr am Dienstag, beim Gastspiel des VfB Lübeck, dreimal in die Lübecker Kurve eilen musste, um kollabierte Fans zu versorgen. Die restlichen 85 Minuten trieb er seinen Puls mit Anwürfen Richtung Schiedsrichter in die Höhe, dem er Korruptheit, Blindheit und die Verwirrung sämtlicher Sinne vorwarf. In der Tat produzierte Edgar Steinborn gut und gerne zehn Fehlentscheidungen. Besonders gravierend die strikte Weigerung, die Regel anzuwenden, wonach ein Foul im Strafraum mit Elfmeter zu ahnden sei.
Dass der eingewechselte Lübecker Patrick Würll später mit der Melodie von „Wir fahren nach Berlin“ auf den Lippen an der Reporterschar vorbeizog, hatten die Hansestädter Silvio Adzic zu verdanken, der kurz nach Wiederanpfiff einen Stellungsfehler der Hoffenheimer bestrafte (48.). Thomas Hillenbrand, in der vergangenen Saison noch Ersatz-Ersatzkeeper beim HSV, blieb machtlos. Unverdient war das Weiterkommen des VfB nicht: Besonders in der zweiten Hälfte stand die Abwehr um den überragenden Sven Boy tadellos, und die agilen Badener, die zuvor immer wieder gefährlich in die Tiefe gespielt hatten, mussten sich nun auf Standards und gelegentliche Unsicherheiten Maik Wildes bei hohen Bällen verlassen: Zu wenig, um gegen den ausgebufften Zweitligisten bestehen zu können.
Nach dem Spiel war Dieter Hecking das Erreichen des DFB-Pokal-Halbfinales – am 16. oder 17. März in Bremen gegen den SV Werder – dennoch fast ein wenig unangenehm. Man möge ihm doch bitte nicht übel nehmen, dass er sich als Trainer „des kleinen VfB Lübeck“ sehr über den größten Erfolg der Vereinsgeschichte freue, beschied er die Lokalpresse. „Wir waren eben einfach das glücklichere Team.“ Bereits jetzt dürfte man rund eine Million Euro im laufenden Wettbewerb eingespielt haben und ist nur noch einen Sieg vom Finale entfernt. Umso glücklicher waren die 1.000 mitgereisten Anhänger des VfB, darunter viele ältere Menschen, deren mutmaßlich erste Auswärtsfahrt ausgerechnet zu einer entfernten Spielstätte ging. In Lübeck haben Kaffeefahrten anno 2004 extravagantere Ziele als den Heidepark Soltau. Berlin, wo das Finalspiel stattfindet,da war man sich am Dienstag einig, wäre ja auch mal eine Reise wert.
Christoph Ruf