neue mobilität : Macht uns nicht den Mehdorn
Bislang war die Modernisierungspolitik bei den Berliner Verkehrsbetrieben synonym für Preiserhöhung. Meist kam sie im August, wo der Fahrrad fahrende Berliner sonnenbeduselt keine Lust auf Empörung hatte. Nun überrascht die BVG zwar wieder mit der Ankündigung einer saftigenPreiserhöhung – aber diesmal scheint der städtische Betrieb eine Portion Kreativität beigemengt zu haben. Das Preissystem soll sich künftig an den tatsächlich gefahrenen Kilometern orientieren.
Kommentar von ADRIENNE WOLTERSDORF
Das macht den Berliner ÖPNV zwar in den Randgebieten der Stadt nicht attraktiver, aber es macht die Preise gerechter. Schließlich löst es das ewige Dilemma zwischen Kurzstrecke und Vollticket. Die eine zu kurz, das andere zu oft zu teuer. Bleibt aber die Warnung: Macht uns nicht den Mehdorn! Denn ein zu verwirrend differenziertes System nach verschiedenen Transportmitteln, Feiertags- und Gruppentarifen ließe die Berliner den Durchblick verlieren.
Bedenklich ist allerdings, dass die Abrechnung dieser individuellen Tarife dann per elektronische Geldkarte erfolgt. Das ist zwar praktisch, aber wer sich je vor dem gläsernen Bürger fürchtete, der muss vor dem transparenten U-Bahn-Nutzer erschauern. Jede unserer Bewegungen in der Stadt werden dann registriert, die Werbeindustrie dürfte sich über derartiges Datenmaterial freuen. Egal, mag sich mancher denken. Der Weg in ein neues Verkehrszeitalter führt ohnehin nicht um elektronische Messinstrumente herum. Aber muss Individualität mit totaler Kontrolle bezahlt werden? Hoffentlich reicht die neue Fantasie der BVG zur Lösung des Problems.