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Archiv-Artikel

neu-tempelhof Das Idyll mit Airportanschluss

Am Anfang der Gartenstadt Neu-Tempelhof war ein Ende. Als die Militärparaden und Übungen der preußischen Garnison Ende des 19. Jahrhunderts nach Döberitz und Zossen verlegt wurden, erlebte das Tempelhofer Feld seine erste Nachnutzungsdebatte. Schnell war klar, dass der westlich des Tempelhofer Damms gelegene Teil bebaut werden sollte.

Von einer Gartenstadt aber war noch keine Rede. Als der preußische Fiskus 1912 das Gelände zur Parzellierung freigab, sollten mehrgeschossige Gründerzeitbauten entstehen. So entstand die repräsentative Bebauung an der Ecke Manfred-von-Richthofen- und Dudenstraße nach den Entwürfen des Architekten Bruno Möhring. Insgesamt entstanden 56 Häuser. Der Erste Weltkrieg und die folgende Inflation verhinderten eine Umsetzung der geplanten Bebauung auf dem gesamten westlichen Tempelhofer Feld.

Die Idee einer Gartenstadt wurde erst in den 20er-Jahren geboren – vom damaligen Vorkämpfer der Baugenossenschaften, Adolf Scheidt. Zwischen Tempelhofer Damm, Dudenstraße, Ringbahn und Nord-Süd-Bahn sollten 2.000 Einfamilienhäuser entstehen. Zu diesem Zeitpunkt bestand der Flughafen Tempelhof lediglich aus einem Acker mit einer provisorischen Abfertigungshalle.

Doch schon 1925, als die Gemeinnützige Tempelhofer-Feld-Heimstätten GmbH mit einer Werbeschrift nach Käufern für die Eigenheime suchte, war klar, dass aus dem Provisorium bald „der größte Flughafen Deutschlands“ werden sollte. Im Zusammenhang damit, heißt es im Prospekt „Eigenheime auf dem Tempelhofer Feld“, werde am Eingang zur Gartenstadt ein Turmhaus für die Junkers Luftverkehr Aktiengesellschaft gebaut. „Von der Plattform des 40 Meter hohen Hauses wird man einen herrlichen Blick auf den sich von Jahr zu Jahr mehr entwickelnden Flugverkehr haben.“

1930 waren bereits 1.000 Einfamilienhäuser in Neu-Tempelhof gebaut, jedes von ihnen mit einem Garten von 200 bis 250 Quadratmetern. Nach 1933 aber wurden die Arbeiten eingestellt. Die von Adolf Hitler und Albert Speer geplante Nord-Süd-Achse sollte mitten durch die Gartenstadt verlaufen.

Nach dem Krieg wurde die Gartenstadt behutsam weiterentwickelt – in trauter und lauter Nachbarschaft zum Flughafen Tempelhof, der seit dem Ende der Berlin-Blockade zur zivilen Nutzung freigegeben wurde. Zahlreiche Flughafenbedienstete und Stewardessen lebten in der Siedlung. Geschäfte und Gaststätten machten gute Gewinne. Mit dem Bau von Tegel und dem Ende des regulären Flugbetriebs 1975 änderte sich das. In und um die Gartenstadt wurde es still. Viele Geschäfte machten dicht. Einkaufsmöglichkeiten gibt es nur noch in der nördlichen Manfred-von-Richthofen-Straße.

Nach der Wende wurde 1991 eine städtebauliche Erhaltungssatzung festgelegt. Peu à peu soll die ursprüngliche Gestalt der Siedlung wiederhergestellt werden. Bauliche Änderungen sind nun genehmigungspflichtig.

Mit der Wende änderte sich auch die soziale Struktur der Bewohner. Zwar ist der Migrantenanteil in der Siedlung nach wie vor kaum messbar. Für junge Familien ist Neu-Tempelhof inzwischen aber attraktiv geworden. Entsprechend teuer ist das Idyll. Für ein normales Mittelhaus ohne Garage zahlt man bereits bis zu 240.000 Euro. UWE RADA