nebensachen aus prag : Sex zu Dumpingpreisen im Internet-Bordell
Ich gesteh’s. Ich war im Puff. Das sorgte zu Hause zwar für eine milde Orkanböe – „keiner meiner Bekannten hat Freundinnen, die in den Puff gehen. Warum gerade ich?“ –, die sich schnell wieder legte, als freund einsah, dass nur der pure Neid aus ihm hervorbrach. „Du hättest mich ja wenigstens mitnehmen können.“
Hinzufügen sollte ich allerdings, dass ich aus rein beruflichen Gründen dort war. Damit auch wirklich keine Missverständnisse aufkommen, denn so schlecht sind wir Journalisten nun auch wieder nicht bezahlt: um zu berichten. Schließlich ist der Bordellbesuch zu einer gesellschaftlich mehr oder minder akzeptierten Sache geworden. Zumindest da wir nun wissen, dass er auch zu den Entspannungsübungen deutscher Spitzenmanager gehört. Und seitdem der Stern unters Volk gebracht hat, in welchen Prager Etablissements die (inzwischen ehemalige) Spitze von VW am liebsten verkehrte, sollten auch wir von der Konkurrenz uns in dem Milieu etwas orientieren können.
Sich einmal fühlen wie ein VW-Manager oder wenigstens Betriebsrat kann man (und auch frau) ohne dickes Spesenkonto. Selbst die Pragreise kann gespart werden, denn wenn der Kunde nicht ins Bordell will, kommt das Bordell zu ihm.
Virtuell. Ein paar findige Prager Geschäftsleute aus der Branche haben an der Moldau das erste „Internet-Bordell“ eröffnet. Eigentlich die gleiche Idee wie „Big Brother“, nur ohne das ganze Drumherum. Im „Big Sister“ geht es gleich zur Sache. In jedem der Zimmer, nach Themen, wie „Alpen“, „Himmel“, „Fetisch“ oder „Harem“ ausstaffiert, sind insgesamt vier Kameras installiert, die keine Stellung auslassen. Live und unzensiert wird die Show dann ins Internet übertragen. Dort kann man/frau für 30 Euro Gebühr pro Monat spannen bis zum Abwinken. „Wir lüften das Geheimnis des ältesten Gewerbes der Welt“, verspricht die Website. „Wir sind garantiert frei von Pop-ups und Spyware,“ verspricht der Manager. Dazu noch billig, denn für 30 Euro im Monat bekommt man sonst keinen sicheren Zutritt auf Erotikseiten.
„Man nennt uns schon den Lidl der Erotikbranche,“ rühmt sich der Manager. Sex zu Dumpingpreisen, nicht nur für Spanner, sondern auch für Freier. Verzeihung, die männlichen Hauptrollen. Denn offiziell, zumindest bis die Prostitution in Tschechien völlig legalisiert ist, handelt es sich bei „Big Sister“ nicht um ein öffentliches Haus, sondern ein „Internet-Studio, in dem Interessenten ihre eigenen Pornofilme drehen können,“ wie der hauseigene Rechtsanwalt versichert.
Die, wertfrei gesagt, Besucher der Großen Schwester, haben meist keinerlei schauspielerische Ambitionen. Sie lassen sich nicht von den Kameras stören beim Billigvögeln: zwei Stunden mit einem oder mehreren Mädchen auf dem Zimmer für läppische zehn Euro. „Da kommt mich ein Abend mit meiner Freundin teurer, und die steht nicht mal besonders auf Sex,“ erzählt Markus, ein Stammgast. Wenn ihn die Lust packt, setzt er sich ins Auto und fährt nach Prag. Viagra sei dank, hält es der 28-Jährige dort schon mal zehn bis zwölf Stunden aus: „Auf der Rückfahrt tanke ich dann noch immer voll, da lohnt sich das doppelt.“ Geiz macht geil. ULRIKE BRAUN