piwik no script img

Archiv-Artikel

nebensachen aus phnom penh König Sihanouk bekämpft die Entsihanoukisierung neuerdings auch im Internet

Der Palais Royale von Phnom Penh liegt verlassen da – König Norodom Sihanouk und seine Gemahlin Monique haben sich wieder einmal nach Peking begeben. Die Majestäten kränkeln und lassen sich von chinesischen Ärzten behandeln. Ein Geheimnis ist das nicht: Der 81-jährige Sihanouk informiert die Untertanen ebenso freimütig über seinen aktuellen Gesundheitszustand wie über vergangene Liebesabenteuer.

Der vielseitige König, den die Franzosen einst als 19-Jährigen auf den Thron ihrer damaligen Kolonie Kambodscha gesetzt hatten, weil sie ihn für leicht zu manipulieren hielten, hält mit seiner Meinung nicht hinterm Berg. Als er 1970 – nach einem von den USA unterstützten Putsch – zum ersten Mal ins Exil getrieben wurde, ersann er eine Möglichkeit, die Welt auch weiterhin an seinen Gedanken und seinem bewegten Leben teilhaben zu lassen. Sihanouks „Monatliches Bulletin“ wurde bald legendär.

Es war eine einzigartige Sammlung von Essays und Notizen, handschriftlich an notierten Zeitungsausrissen und Briefen in Khmer, Französisch und Englisch, die er zunächst per Post, dann per Fax an eine kleine Schar von Politikern, Diplomaten, Journalisten und Freunden verschickte. Als die Roten Khmer ihn 1975 als Staatschef zurück nach Phnom Penh lockten und dann im Palast einsperrten, musste auch das Bulletin schweigen.

Erst nach dem Einmarsch Vietnams 1979 in Kambodscha meldete es sich zurück: aus Peking und Pjöngjang. Dort hatten die örtlichen „roten Exzellenzen“, wie Sihanouk die kommunistischen Herrscher Chinas und Nordkoreas mit feiner Ironie nannte, ihm Exilresidenzen zur Verfügung gestellt.

Seit seiner „triumphalen Rückkehr“ (Sihanouk in seiner eigenen Biografie) nach Kambodscha Anfang der Neunzigerjahre kommentiert der König eifrig Machtkämpfe, Intrigen und Wirrungen der Politik Phnom Penhs, was den autoritären Premierminister Hun Sen immer wieder in Rage versetzt – ebenso wie seinen eigenen Sohn, Oppositionsführer Norodom Ranariddh.

Bis vor kurzem war das Bulletin nur einer kleinen Fangemeinde zugänglich. Das ist glücklicherweise vorbei – der König ist online! Er ist die erste Internet-Majestät Asiens und vielleicht der ganzen Welt. Jeder gewöhnliche Sterbliche – vorausgesetzt er hat Zugang zum Netz – darf erfahren, was seine Majestät zu denken und zu tun geruht.

Ein Klick auf www.norodomsihanouk.info genügt, und ein reiches königliches Angebot erschließt sich: Neben Fotos von Audienzen mit Mönchen und Würdenträgern, der Biografie des erlauchten Paares und einiger Verwandten, erscheinen auch „Musique & Chansons“: Da singt der König sogar persönlich seine Komposition „Flüchtige Liebe“. Und niemand Geringeres als das nordkoreanische Frauenorchester Mansoudai interpretiert eines seiner früheren Werke.

Wie in alten Zeiten veröffentlicht Sihanouk nun im Internet seine Gedanken über seinen Platz in der Geschichte. Unter dem 21. Februar finden sich zum Beispiel ein handschriftlicher Brief an einen ungenannten – und wohl erfundenen – „berühmten kambodschanischen Politiker, der in Frankreich lebt“: Der habe Sihanouk geraten, endlich eine Ruhepause einzulegen und nicht mehr so viel zu schreiben: „Bitte, hören Sie auf zu schreiben! Erholen Sie sich! Machen Sie sich keine Sorge darüber, welchen Platz die Geschichte und das kambodschanische Volk Ihnen zuweisen wird!“ Doch wer, antwortet Sihanouk, ihn zum Schweigen bringen will, habe sich verrechnet: „Bislang hat es noch keine ausländische Macht geschafft, mich zu Entsihanoukisieren!“ Seine Fans dürfen aufatmen – das Bulletin wird weiterleben. JUTTA LIETSCH