piwik no script img

Archiv-Artikel

nebensachen aus nikosia Aufstand der Schaufensterpuppen oder ein Versuch, das Weihnachtsgeschäft zu retten

Ganz Nikosia ist eine Baustelle. Kaum eine Ecke, an der sich kein Umleitungsschild findet. Sowohl in den Randbezirken als auch in der Innenstadt scheint jede zweite Straße außer Betrieb zu sein. Fußgängerfreundlich war die Hauptstadt Zyperns noch nie. Doch nun sind auch noch die wenigen Bürgersteige aufgerissen. Schon der Weg zum nächstgelegenen Bäcker kann so zu einem halsbrecherischen Abenteuer werden. Man sollte stets den Blick gesenkt halten, denn die nächste Stolperfalle ist nicht weit.

Offenbar hatte die Baubehörde etwas zu ehrgeizige Ziele, als sie im Frühling den „Großputz“ anordnete. Denn irgendwie scheinen in der Zwischenzeit Menschen und Material knapp geworden zu sein. Auf vielen Baustellen herrscht gähnende Leere. An unbelebten Straßen an der Peripherie mag das ein Weile hinnehmbar sein. Doch viele Geschäftsinhaber werden langsam ungehalten, da die Straßen vor ihren Läden seit Monaten unbegehbar und oft auch unbefahrbar sind.

Zugang zu den Shops ist, wenn überhaupt, nur unter erschwerten Bedingungen möglich. Manche Läden sind sogar ganz abgeschnitten, denn sie finden sich plötzlich in einer Sackgasse wieder, weil die Straße abgesperrt und weiträumig zu umfahren ist.

Die Ladeninhaber klagen schon länger über schlechte Geschäfte. Sie haben im Sommerhalbjahr Kunden verloren, und ihre Umsätze sind tief in den Keller gerutscht. Die Mieten dagegen, die monatlich zu entrichten sind, sind nicht gesunken. Auf Beschwerden reagierten die Behörden bislang bestenfalls mit Beschwichtigungen und vagen Versprechungen. Da das Sommergeschäft für viele nicht besonders gelaufen ist, hoffen sie nun auf den großen Ansturm zu Weihnachten.

Und da haben sich Boutiquebesitzer an der Themistokleus-Derby-Straße Ecke Evagorou einen unorthodoxen Protest ausgedacht, von dem sie sich endlich eine konkrete Reaktion der Behörden erhoffen. Auf dem Platz schien sich in Sachen Bauaktivitäten endlich etwas zu tun. Rund um die aufgerissene Straße standen Arbeiter mit Helmen, Schippen, Schubkarren und Spaten.

Bei näherem Hinsehen fiel jedoch ihre merkwürdige Bewegungslosigkeit auf. Kein Wunder, denn es waren Schaufensterpuppen, die echten Bauarbeitern zum Verwechseln ähnlich sahen. Die Aktion hatte zumindest teilweise den gewünschten Effekt, denn sie zog die Aufmerksamkeit der Passanten auf sich sowie Fotografen und Reporter an.

Die Baubehörde drückte zum wiederholten Male ihr Bedauern über den schleppenden Verlauf des Sanierungsprojekts aus. Auch Nikosias Bürgermeisterin Eleni Mavrou zeigte sich von dem fantasievollen Projekt beeindruckt und ließ sich zu einem konkreten Versprechen hinreißen: Bis zum 10. Dezember solle die Themistokleus Derby ebenso wie andere Geschäftsstraßen so weit in Ordnung gebracht werden, dass das Weihnachtsgeschäft nicht leiden würde.

Doch die Ladenbesitzer beruhigt das ganz und gar nicht. Sie fürchten, dass die bloße Aussicht darauf, die Arbeiten könnten irgendwann einmal abgeschlossen sein, weder die Kunden in ihre Läden zurückbringt noch das Geschäft wiederbelebt.

CHRISTINE APEL