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Archiv-Artikel

nebensachen aus madrid Die iberische Form des Yoga

Ist das denn die Möglichkeit? Während ich mich auf die andere Seite drehe, verfluche ich innerlich mit allen mir bekannten spanischen Schimpfwörtern den Autofahrer, der mit seinem Gehupe meine Siesta gestört hat. Kaum eingeschlafen, bin ich wieder hellwach. Auch wenn ich weiter liegen bleibe, die mir so lieb gewordene allmittagliche spanische Ruhepause ist dahin.

Das belegen nämlich neueste Forschungsergebnisse. Die Siesta soll demnach mindestens 15 und höchstens 40 Minuten dauern. Danach fühlt man sich wie neu. Eine Siesta von nur 15 Minuten entspricht 125 Milligramm Koffein, die Menge von bis zu fünf Tassen Kaffee. Die Folgen sind nur positiv: Die Konzentration bei der Arbeit steigt deutlich, das Unfallrisiko im Straßenverkehr nimmt stark ab. Doch dazu braucht es eben mindestens 15 Minuten. Sonst wird es mit der Erholung nichts.

Wen wundert es da, dass einige Gemeinden den volkswirtschaftlich so sinnvollen heiligen Brauch der Iberer per Dekret schützen. Kein Hupen, keine Bauarbeiten, kein lautes Schreien und Singen auf der Straße zwischen 15 und 17 Uhr – paradiesische Zustände, die leider in Madrid nicht gelten.

Dabei wäre die Mittagsruhe doch gerade in der stressigen Großstadt von allerhöchstem Nutzen. Doch der globalisierte Arbeitsalltag hat keinen Platz mehr für nationale Sonderrhythmen. Heute machen nur noch 24 Prozent der SpanierInnen regelmäßig eine Siesta. Weder regional, noch was das Geschlecht angeht, gibt es beim Mittagsschlaf Gleichberechtigung. 39 Prozent sind es an der Mittelmeerküste in der Region Valencia und nur 13,3 Prozent im atlantischen Kantabrien. Nur 18 Prozent der Frauen finden Zeit für den mittäglichen Schlaf der Gerechten. Bei den Männern sind es immerhin 30 Prozent. Nur am Wochenende scheint sich dies anzugleichen. 32 Prozent der verheiratet Männer und Frauen ziehen sich da für ein paar Minuten zurück, ohne anzugeben, ob sie in dieser Zeit tatsächlich schlafen.

„Die Siesta ist empfehlenswert, um den Geist zu erfrischen und um kreativer zu sein“, wusste bereits Albert Einstein. Dieser durch spanische Wissenschaftler hinlänglich belegte Segen des Kurzschlafs hat sich mittlerweile auch im Ausland herumgesprochen. Allen voran haben die US-Amerikaner die Siesta lieb gewonnen. 60 Prozent geben sich ihr mindestens einmal in der Woche hin. „Power Nap“ hieße der in Mode gekommene Mittagsschlaf dort, berichtet Spaniens Presse erstaunt. In Deutschland sind es immerhin 22 Prozent, die sich hin und wieder ein Nickerchen gönnen. Nur einige Briten können sich gar nicht mit dem geruhsamen Brauch anfreunden. „Die Spanier sind faul und schlafen die Siesta“, hieß der Satz eines britischen Reiseführer, der vor ein paar Jahren Spaniens Presse verärgerte.

Eine Kette von Massageinstituten will auch dem gestressten Großstadt-Workaholik die Siesta, die dem Schriftsteller und Literaturnobelpreisträger Camilo José Cela als „iberische Form des Yoga“ gilt, wieder nahe bringen. 40 Filialen zählt das Unternehmen, das seit 1998 arbeitet. Der müde Kunde erhält für 6 Euro auf einem ergonomischen Stuhl eine kurze Antistressmassage, dann schläft er bis zu einer halben Stunde.

Auch der Antwort auf der Frage, warum die Spanier die Siesta erfunden haben, kommt die Wissenschaft langsam auf die Spur. In diesem Falle sind es nicht die Biologen, sondern die Soziologen, die für die Untersuchungen verantwortlich zeichnen. Eine Umfrage ergab: Die Spanier schlafen mit nur 7,4 Stunden pro Nacht nicht nur kurz, sondern auch schlecht. Denn 41 Prozent werden dabei vom Geschnarche ihres Partners oder ihrer Partnerin gestört. 34 Prozent schläft wegen Sorgen um Arbeit und Studium schwer ein, 26 Prozent wegen Sorgen um die Familie und 11 Prozent wegen Geldnöten.

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