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Archiv-Artikel

nebensachen aus madrid María, José, José María, María Jesús – und Chus

„Weißt du, wie der Kellner heißt?“ In Spanien kein Problem. Es gibt viele, die es sich ganz einfach machen. Stehen Männer hinter der Theke, rufen sie ihn „Pepe“, wollen sie eine Frau auf sich aufmerksam machen, „Mari“. Es funktioniert fast immer. Ab 35 aufwärts heißen die meisten Frauen María. Pepe, die Kurzform von José, ist der weitverbreitetste Name unter Männern. Zu Zeiten des Diktators Franco zeugte es vom guten Ton, den Kindern einer dieser beiden biblischen Vornamen zu geben.

Was tun, um die vielen Pepes und Maris auseinanderzuhalten? Ganz einfach – ein zweiter Vorname. Üblicherweise dienten die Großeltern als Namenspaten. Waren deren Vornamen nach mehreren Kindern aufgebraucht, half ein Blick in den Kalender, ein José oder María mit dem Heiligen des Tages dahinter und fertig war der neue Vorname. José María, José Francisco, José Miguel, María Isabel …

Wenn es um weibliche Vornamen geht, sind die Spanier einfallsreicher als bei den Jungen. Der Marienkult hilft bei der Entscheidung. María José oder gar María Jesús sind übliche Namen. María del Pilar ist etwas für Nationalisten. Denn die Heilige Jungfrau von der Säule ist Schutzpatronin von Spanien. Mögen es die Eltern gern kolonial, nennen sie die Tochter María de Africa. Für Katholiken, die in der Religion gern das Leiden herausstellen, bietet sich María Dolores (Schmerzen) an. Wer glaubt, dass das Töchterchen nie einen abbekommen wird, nennt sie María Soledad (Einsamkeit), wer an die unbefleckte Empfängnis glaubt, María Concepción.

Wenn wundert es, dass so manchem Mädchen oder manch junger Frau der religiöse Eifer ihrer Erzeuger schnell zu viel wird. Sie benutzen lieber eine Kurzform. Aus einer María Jesus wird eine Masus oder eine Chus. María del Pilar wird zu Maripili, María Piedad zu Maripi, María Dolores zu Lola und die einsame María Soledad nennt sich Sole.

Wer das Glück hat, wie María Isabel einen zweiten, wohlklingenden Vornamen abbekommen zu haben, benutzt diesen meist ausschließlich und wundert sich, wenn sie bei offiziellen Schreiben oder auf dem Amt doch wieder als Señora María angesprochen werden.

Doch in den letzten Jahren lassen sich Eltern immer mehr von Stars und Sternchen – gern auch aus Übersee – inspirieren. In der neuesten Liste der zehn beliebtesten Jungennamen ist José nicht mehr vertreten. Alejandro, Daniel, Pablo, David, Adrían, Javier, Alvaro, Sergio, Carlos und Marcos lautet die männliche Top Ten.

Bei den Mädchen allerdings bleibt María vorn mit dabei: Der Traditionsname liegt auf Platz zwei nach Lucía, und die Bibel bleibt weiter Hauptinspirationsquelle. Auf den Plätzen: Paula, Laura, Marta, Alba, Claudia, Carla, Andrea und Sara. Noch Ausgefalleneres schwappt per TV-Serien über den Ozean. Jenifer, Jesica und Vanesa sind groß in Mode. Bei den Jungs ist es Borja.

So manche Eltern wollen trotz der mutigen Namenswahl doch nicht ganz auf die Tradition verzichten. Sie hängen deshalb ein María an. „Borja Mari“, hallt es durch die Parks der Vorstädte.

REINER WANDLER