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Archiv-Artikel

nebensachen aus jerusalem 60 Jahre „Nifnuf“: Über die beliebte Grillomania in Israel

Die Israelis lieben Ausflüge in die Natur. An Wochenenden mit entsprechenden Wetterverhältnissen staut sich der Verkehr in den entlegensten Eckchen des Landes, während man in der Stadt plötzlich problemlos vorankommt. Vor allem im Frühling, wenn Mohnblumen und Alpenveilchen blühen, kommt es zu regelrechten Volkswanderungen raus aufs Land.

Besonders beliebt ist die Kombination: Natur und „Nifnuf“, das heißt auf Deutsch wedeln und ist nötig, um ein Feuerchen anzufachen. „Nifnuf“ ist Synonym für grillen und strikte Männersache. Gleich nach Pessach, wenn in Gedenken an den Auszug der Kinder Israels aus Ägypten für eine Woche gesäuertes Brot und Bier verboten ist – ohne das macht „Nifnuf“ keinen Spaß –, wird der „Mangal“ klargemacht. Das ist in der Regel ein einfaches vierbeiniges Metallgestell mit Platz für die Kohlen und obendrauf einem Gitter. Beides ist schon nach einmaligem Gebrauch so fettverklebt und von Asche und Rauch verdreckt, dass viele es tatsächlich nur einmal benutzen.

Ein Neues kostet nur ein paar Schekel und wird in Stoßzeiten an jeder Ecke gehandelt. Sogar am „Schabbes“ für die Vergesslichen, Kohlen inbegriffen. Und natürlich am Unabhängigkeitstag. Zu dem gehört „Nifnuf“ einfach dazu. Da heißt es nicht: „Macht ihr dieses Jahr ‚Nifnuf‘?“, sondern: „Wo macht ihr dieses Jahr ‚Nifnuf‘?“ Am Unabhängigkeitstag ist an Israels Stränden und in den landesweiten Parkanlagen für Spätkommer nichts mehr zu machen. Da heißt es früh aufstehen, um sich einen der Tische zu schnappen, die dort eigens für die Picknick-liebende Großfamilie stehen. Oder man besorgt sich in einem der Heimwerkerläden das zusammenklappbare Equipment, bringt also die eigenen Stühle und Tische mit und quetscht sich damit noch irgendwo dazwischen.

Am Unabhängigkeitstag geht es Rind und Schafen, essbarem Federvieh und sogar unkoscheren Vierbeinern an den Kragen. Steaks, Lammshops, Würste und scharfgewürzte Kebaps landen tonnenweise auf dem „Mangal“; während die Herren der Schöpfung selig ihrer Lieblingsbeschäftigung nachgehen: „Nifnuf“. Die echten Profis tun das nicht etwa mit einer zusammengefalteten Zeitung, sondern bringen ihren eigenen Wedel mit, eine etwas größere Fliegenklappe ohne Löcher und kürzerem Griff.

In dem rauchigen Dunst mischt sich der Gestank von Spiritus und Kohlenanzünder mit dem verbrannten Fleisches. „Nifnuf“ ist der Albtraum eines jeden Vegetariers. Ständig auf der Flucht vor dem Qualm und dem Anblick halber Hühner, muss sich der Liebhaber gesunder Rohkost mit Fladenbrot und Humus (Erbsbrei) oder Auberginensalat zufriedengeben.

Derweil warten die Schakale auf das Ende des Fleischgelages, um sich anschließend über die Reste herzumachen. Die Schakale sollen schon ihre Paarungszeiten der „Nifnuf“-Saison angepasst haben und sich infolge der üppigen Nahrungslage so stark vermehren, dass sie eine Bedrohung für andere Tierarten darstellen, Rehe zum Beispiel. Und auch das ein oder andere Schaf, das mit den Beduinen durchs Land zieht, läuft Gefahr, den zu nächtlicher Stunde laut heulenden Rudeln zum Opfer zu fallen.

SUSANNE KNAUL