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Archiv-Artikel

nebensachen aus jerusalem Koscher fliegen ist kein reines Vergnügen

Der El-Al-Flug von Tel Aviv nach Berlin hebt immer schon kurz nach sechs Uhr morgens ab. Schlimm genug, dass man mitten in der Nacht aus dem Bett geworfen wird. Für die Befragungen und Sicherheitskontrollen am Flughafen setzt die Fluggesellschaft ganze drei Stunden an. Wenn man dann endlich in der Maschine sitzt und sich auf den ersten Kaffee des Tages freut, dann kommt das übliche Flugzeuggesöff, das mit viel Zucker und Milch gerade noch erträglich wäre. Nur dass bei El Al grundsätzlich keine Milch serviert wird. So fordert es nämlich die orthodoxe Klientel. Auch die fest in Plastikfolien verpackten extrakoscheren Menüs reichen nicht, um dem Gebot der jüdischen Speisegesetze nachzukommen. Zum Frühstück gibt’s Ersatzmilch auf Pflanzenbasis.

Für El Al lohnt es sich, die Ultraorthodoxen ernst zu nehmen. Sie machen knapp ein Viertel der Kundschaft der Airline aus. Leider ist es mit Planzenmilch allein nicht getan. Das Unterhaltungsprogramm wird auf „koscher“ getestet, obszöne Szenen werden zensiert, und außerdem darf am Sabbat nicht geflogen werden. Als El Al nach einem Streik kurzfristig und nur zeitweilig ein paar Wochenendflüge startete, um die seit Tagen wartenden Passagiere an ihre Bestimmungsorte zu bringen, riefen die Rabbiner umgehend zum Boykott der Fluggesellschaft auf. Umgerechnet 200 Millionen Euro täglich kostete El Al der religiöse Protest, bis sie sehr schnell wieder klein beigab.

Wenn die Rabbiner mit Boykott drohen, stehen nicht nur die Gemeinde und El Al stramm. Die gängigen Supermarktketten sorgen mit panischer Vorsicht dafür, ihre Produkte nicht etwa mit Plakaten, auf denen leicht bekleidete Frauen abgebildet sind, zu vermarkten. Kondome werden, wenn überhaupt, unter dem Ladentisch gehandelt. Letzthin sollte sogar ein Schokoladenriegel verboten werden, auf dessen Verpackung ein unkoscherer Dinosaurier abgedruckt war.

Die eher weltlich eingestellte Kundschaft zahlt schweigend den Aufpreis für das Koschersiegel der Rabbiner. Vom Mineralwasser bis hin zum Geschirrspülmittel – ohne Siegel hat kein Produkt eine Chance, in den Regalen eines der üblichen Supermärkte zu landen. Gott sei Dank gibt es aber seit ein paar Jahren eine unkoschere Supermarktkette. Gemanagt wird sie von russischen Einwanderern, die nicht nur den Aufpreis leid waren, sondern vor allem den Mangel an unkoscherer Wurst, an mit fleischlichen Enzymen präpariertem und damit deutlich schmackhafterem Käse oder Wein aus Südafrika.

Nur beim Strom müssen die Israelis ungeachtet ihres Religiositätsgrades künftig tiefer in die Tasche greifen. Dank ihrer orthodoxen Mitbürger soll nun endlich auch Israels Strom koscher werden. Die Wochenendproduktion wird stärker automatisiert, das Personal um 150 Nichtjuden aufgestockt, die angeblich nicht nur am Sabbat arbeiten werden. Zehn Millionen Dollar kostet das Projekt jährlich. Bezahlen werden natürlich die Verbraucher.

SUSANNE KNAUL