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Archiv-Artikel

nebensachen aus brüssel Die neuen Arbeitsgruppen von EU-Kommissionspräsident Romano Prodi

Viele schöne Posten für Ehemalige

Im Auftrag von Beate Gminder, der Sprecherin von Verbraucherschutzkommissar David Byrne, stellen wir heute Folgendes klar: Es gibt keine EU-Richtlinie, die Basketbälle in Schweineställen zwingend vorschreibt. Eine entsprechende Meldung der Times entbehrt jeder Grundlage. Brüssel kümmert sich um das Schweineleben in seiner Gesamtheit, also um Gattergröße, medizinische Betreuung und – zugegeben – auch den Zugang zu „manipulierbarem Material“. Das Schwein soll eben in seiner Freizeit was zu tun haben. Gründlich wie sie sind, haben die juristischen Richtlinien-Dichter in einem Anhang aufgelistet, was damit gemeint ist: Stroh, Heu, Holz, Sägemehl oder Torf. Die Basketbälle sind nichts als eine verleumderische Erfindung der EU-feindlichen britischen Presse.

Das musste mal gesagt werden. Denn „Euromythen“ sind tödlich fürs Image der Kommission. Einmal in der Welt, sind sie kaum wieder loszuwerden. Der Mythos vom Krümmungswinkel der Banane zum Beispiel. Zu keiner Zeit gab es in der EU eine Richtlinie, die vorschrieb, wie krumm die Banane zu sein hat. Ab 1994 mussten importierte Bananen mindestens 14 Zentimeter lang und 27 Millimeter dick sein. Das heißt, sie durften durchaus länger sein. Oder auch dicker. Das kann wirklich nicht als Regelungswut bezeichnet werden. Außerdem ist die Richtlinie inzwischen abgeschafft. Ungerecht ist es auch, die etwa 450 Fachausschüsse, die der Kommission beratend zur Seite stehen, als „Dschungel“ zu bezeichnen. Natürlich weiß keiner so genau, was diese Beamten eigentlich machen. Aber es sind alles Experten. Deshalb sollte jetzt auch niemand mit dem Finger auf den Kommissionspräsidenten zeigen, bloß weil er zwei neue Arbeitsgruppen ins Leben gerufen hat. Romano Prodi öffnet sich eben für Menschen, die nicht im Raumschiff Brüssel gedanklich gefangen sind.

Kurt Biedenkopf zum Beispiel. Er soll in einer Arbeitsgruppe mitmachen, die „spirituelle und kulturelle Perspektiven im erweiterten Europa“ erarbeitet. In diesem Ehemaligenklub wird er sich wie zu Hause fühlen. Mit Simone Veil, Expräsidentin des Europaparlaments, und mit Bronislaw Geremek, dem ehemaligen polnischer Außenminister. Dominique Strauss-Kahn, ein französischer Ex, leitet die zweite Gruppe. Sie erklärt „die neuen Bedürfnisse und Erwartungen der Gesellschaft und zeigt Wege auf, wie sie sich entwickeln und erneuern sollte.“ Bei Magda Alvoet, der Exumweltministerin von Belgien, ist es sicher in guten Händen. Zur Seite stehen ihr Expremier Alojz Peterle aus Slowenien, Exbundesbankchef Hans Tietmeyer und Exprofessor Jürgen Habermas.

Wenn die Herrschaften schließlich zu Ende gedacht haben, wird Europa vielleicht ein neues Grünbuch geschenkt. Oder gar ein Weißbuch oder ein Schwarzbuch. Möglicherweise auch ein Maßnahmenpaket. Am Ende des Gärungsprozesses könnte dann eine neue Richtlinie stehen. „Richtlinie über die spirituellen und kulturellen Bedürfnisse europäischer Bürger im dritten Jahrtausend“ könnte sie heißen.

Dass wir in unserer Freizeit manipulierbares Material brauchen, wird drinstehen. Und im Anhang werden die juristischen Richtlinien-Dichter genau erläutern, was darunter zu verstehen ist: Stroh und Sägemehl. Wer braucht schon Basketbälle, um glücklich zu sein.

DANIELA WEINGÄRTNER