piwik no script img

Archiv-Artikel

nationalfeiertag weg? Zu viel Fleiß hat seinen Preis

Wie schlecht muss es Deutschland gehen: Das Kabinett Schröder sieht sich jetzt sogar gezwungen, den Nationalfeiertag abzuschaffen. 0,1 Prozent Wachstum soll das bringen und die Steuereinnahmen erhöhen. Auf diese originelle Idee ist weltweit noch niemand gekommen.

KOMMENTAR VON ULRIKE HERRMANN

Die Krise ist jedoch eher gefühlt als real. Die deutsche Wirtschaft wächst ordentlich – um knapp 2 Prozent in diesem Jahr, voraussichtlich um 1,5 Prozent im nächsten. Allerdings ziehen die Steuereinnahmen nicht mit. Deutschland erlebt das Phänomen eines „steuerfreien Wachstums“. Daran ist Finanzminister Hans Eichel selbst schuld, denn mit seiner Steuerreform hat er etwa 50 Milliarden Euro verschenkt. Davon will die Regierung nun rund zwei Milliarden wieder einsammeln, indem sie einen Feiertag streicht. Weitsichtige Politik sieht anders aus.

Außerdem könnte sich der Finanzminister verrechnet haben. Es ist zwar eine gängige Weisheit, dass es ohne Fleiß keinen Preis gibt. Dennoch ist der Zusammenhang zwischen Mehrarbeit und Wachstum keineswegs zwingend. So sind gerade jene beiden Bundesländer wirtschaftlich am stärksten, die sich besonders viele Feiertage gönnen: Bayern und Baden-Württemberg.

Zu viel Fleiß könnte sogar schaden, so paradox das klingt: Wenn ein Feiertag entfällt, wirkt sich dies indirekt wie eine Lohnkürzung bei allen Arbeitnehmern aus. Das passt nicht zur allgemeinen Klage, dass der Binnenmarkt lahmt. Das Herbstgutachten für die Bundesregierung hat erst jüngst wieder analysiert, dass der schwache Konsum das deutsche Wirtschaftswachstum bremst.

Ökonomisch dürfte es also unsinnig sein, den Tag der Deutschen Einheit stets auf einen Sonntag zu verschieben. Aber das Wirtschaftliche interessiert die Regierung gar nicht so sehr. Der Nationalfeiertag ist ein Symbol, und mit ihm wird nun Symbolpolitik betrieben. Finanzminister Hans Eichel will der EU signalisieren, dass er sich bei seiner Haushaltsaufstellung für 2005 wirklich angestrengt hat. Denn die Regierung weiß genau, dass sie die Euro-Stabilitätskriterien auch im nächsten Jahr verletzen dürfte. Zum vierten Mal. Das ist so peinlich, dass es wenigstens wie unausweichlich wirken muss.

Wenn eine Regierung sogar schon die nationalen Symbole opfern muss – dann lässt sich von ihr nicht mehr verlangen, oder? Doch. Zum Beispiel eine vernünftige Steuerpolitik.

brennpunkt SEITE 7