nachruf : Der Mann, der die Kunst liebte
„Wenn ich morgen abhaue“, sagte der Kunstsammler Heinz Berggruen in einem seiner letzten großen Interviews vor drei Jahren der taz, „würde ich sagen: Es ging eher gut. Aber alles ist vergänglich.“ Der damals 90-jährige Mann, eher klein von Statur, etwas schwerhörig schon, aber noch immer hellwach und voll Witz, meinte mit seinen flapsigen, so typisch Berlinerischen Worten sein Leben. Gestern ist es in seiner zweiten Heimat Paris zu Ende gegangen. Es war ein überaus reiches, ja gelungenes Leben.
Heinz Berggruen wurde 1914 in Berlin-Wilmersdorf geboren, der Vater war ein deutsch-jüdischer Schreibwarenhändler. Berggruen erlebte die große Zeit Berlins, diese „wunderbaren Zwanzigerjahre“, wie er sagte, „es gab Brecht, Marlene Dietrich, Alfred Döblin – das alles ist tief verankert in mir“. Nach dem Abitur studierte er Literatur und Kunstgeschichte und schrieb schon damals Feuilletonstücke aus der Hauptstadt. Dann kamen die Nazis, und Berggruen emigrierte mit einem Unistipendium in die Vereinigten Staaten. Seine Eltern, die das zunächst nicht verstanden, konnte er später dazu bewegen, ihm zu folgen.
Als Sergeant der US-Armee kehrte Berggruen in das halb zerstörte Berlin zurück. Er bemühte sich in einer Zeitschrift, herausgegeben vom State Department, um die Entnazifizierung Deutschlands. Erfolgreicher aber war ab 1947 seine Arbeit als Galerist in Paris. In dieser Zeit machte er die Bekanntschaft von Pablo Picasso – eine Freundschaft wuchs. Das Handeln mit den Werken des Genies war der Grundstein von Berggruens Aufstieg zu einem der größten Kunstsammler des 20. Jahrhunderts.
Picasso, Cézanne, Matisse, Klee, Giacometti – Berggruen sammelte die Klassiker der Moderne, und nur mit Schmerzen trennte er sich von ihnen. „Die schönsten Bilder habe ich für mich behalten“, sagte er der taz. Mit Frida Kahlo verband ihn eine „Amour fou“. Für die Mexikanerin verließ Berggruen sogar eine kurze Zeit lang seine Familie. Noch im hohen Alter schwärmte er von „Frida“, eine „schöne Jugendsünde“ nannte er die Beziehung.
Schließlich kehrte er vor sieben Jahren nach Berlin zurück, im Gepäck seine Kunstsammlung, deren Wert auf 750 Millionen Euro geschätzt wurde. Er verkaufte sie der Stadt zu einem Spottpreis von 129 Millionen Euro – und nannte dies eine „Geste der Versöhnung“. Im Stülerbau gegenüber dem Charlottenburger Schloss ist die Sammlung zu sehen, über den Privaträumen Berggruens, wo auch mal ein Klee achtlos hinter einem Sofa verstaut ist.
Berggruen wurde 2004 Ehrenbürger seiner Stadt und weinte beim Festakt vor Rührung. Er war ein Mensch, der lieben konnte. PHILIPP GESSLER