montagskolumne: meinhard rohr zur lage der nation im spiegel seines wissens :
Was für Jan Ullrich das gelbe Trikot, ist für mich die Kritik an meiner Person: eine Freude, Zierde und Attitüde. So wie der Radstar während der Tour de France wochenlang das Hemd des Führenden trug, so genieße ich immer wieder, was Kollegen, Konkurrenten und Konkubinen über mich verbreiten. Schon 1968, als ich leider noch zu den Linken gehörte, stand ich oft im Mittelpunkt der Gerüchteküche: Ich sei ein eitler, affiger und koketter Schwätzer, der nicht einen geraden Satz hervorbringe, aber von sich glaube, die intellektuellen Fähigkeiten eines Spinoza zu besitzen. Was stört es die Eichel, wenn sie zwischen Baum und Borke gerät. Lieber lasse ich die abgefeuerten Pfeile der Kritik im Rausch der Geschwindigkeit an mir abperlen. Geschützt durch ein postmodern gelbes Trikot, für das ich jetzt endlich einen neuen Namen gefunden habe: Ich bin ein „Metrointellektueller“. Als „Metrointi“ verweise ich die ausufernde Spaßgesellschaft in ihre Schränke. Dorthin, wo noch alle Tassen beisammen sind.
Diese Kolumne erscheint in loser, aber leider häufiger Folge.