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Archiv-Artikel

mit schlafwandlerischer sicherheit in die ohnmacht von RALF SOTSCHECK

Mit 27 sollte man eigentlich aus dem Gröbsten heraus sein. Die Pubertät ist längst vorbei, der Stimmbruch ebenfalls, und die Pickel sind ausgedrückte Schrecken der Vergangenheit. Eddie und Ciaran, die Freunde meines Sohns, haben andere Probleme.

Eddie zum Beispiel fällt dauernd in Ohnmacht. Schon bei der Erwähnung des Wortes „Blut“ sinkt er in die Bewusstlosigkeit. Neulich besuchte er einen Freund, der sich beim Sprung in einen zu flachen Fluss einen Halswirbel gebrochen hatte und, eingehüllt in kilometerlange Verbände, im Krankenhaus lag. Eddie schaffte es kaum durch die Tür: Beim Anblick des Mullmonsters ging er zu Boden. Der lädierte Freund dokumentierte mit seiner Handykamera, wie Eddie von zwei Krankenschwestern auf eine Tragbahre gehoben und abtransportiert wurde.

Gruselfilme sind ganz schlecht. Neulich zeigten sie im Kino mal wieder den „Exorzist“, und Eddie schaffte mit Ach und Krach die erste Viertelstunde, bevor sein Kopf nach hinten kippte. Die anderen merkten es erst, als der Film zu Ende war und sie gehen wollten. Dass einer wie Eddie sich ausgerechnet mit einem Krankenwagenfahrer anfreundet, ist grob fahrlässig. Der berichtete nämlich vorige Woche in der Kneipe von seinen Tageserlebnissen. Als er zu der Stelle mit dem Mann kam, dem ein Metallsplitter das Auge durchbohrt hatte, rutschte Eddie vom Hocker und riss im Fallen den Tisch um, auf dem fünf frisch gezapfte Biere standen.

Ciaran hat ein anderes, ja geradezu entgegengesetztes Problem: Er schlafwandelt. Auf Kreta, wo er mit zwei Freunden Urlaub machte, ertappten ihn die anderen bei der Hausarbeit: Er wischte mitten in der Nacht splitternackt Staub.

Ohnehin lebt er im Urlaub in fremder Umgebung gefährlich. Dass er in Etagenbetten unten schlafen muss, versteht sich von selbst. Aber dafür lauern andere Gefahren. In Berlin erwischten ihn seine Mitreisenden an der Haustür, sonst wäre er vermutlich verhaftet worden, da er lediglich mit Socken bekleidet war.

Ein anderes Mal, in Spanien, wachte sein Freund auf, weil sich Ciaran an der Balkontür zu schaffen machte. Das Ferienapartment lag im siebten Stock, und es wäre nicht viel von Ciaran übrig geblieben, wenn er abgestürzt wäre. Bei dieser Vorstellung fiel Eddie erneut in Ohnmacht.

Zu Hause kennt sich Ciaran wenigstens mit schlafwandlerischer Sicherheit aus. Als er Logierbesuch von zwei weiblichen Bekannten bekam, überließ er ihnen großzügig sein Bett und schlief auf der Couch. Mit Schrecken stellte er am Morgen fest, dass er ein anderes Paar Boxershorts trug als am Vorabend. Er war offenbar nachts in sein Zimmer gegangen und hatte sich umgezogen. Er hatte Glück: Die beiden Frauen hatten einen ruhigeren Schlaf als er und waren nicht aufgewacht.

Das kann Ciaran leider nicht über seine künftige Schwiegermutter sagen. Als er einmal bei seiner Freundin übernachtete, ging er nachts wieder spazieren. Am Morgen wachte er zwar im Bett auf, aber nicht in dem seiner Freundin. Als er nach links schaute, blickte er in das verdutzte Gesicht der Schwiegermutter, die im selben Augenblick wach geworden war. Ciaran überlegt nun, sich nachts ans Bett fesseln zu lassen.