piwik no script img

meinungsstark

Wer glaubt wem welche Beweise?

„Autor über Wissenschaftsskepsis: ‚Da geht es um Systemisches‘“, taz vom 24./25./26. 12. 21

Sehr geehrter Herr Kohlhöfer, Wissenschaftsskepsis ist nichts Neues, da stimme ich Ihnen uneingeschränkt zu. Das Dilemma ist, dass ich mich immer entscheiden muss: Glaube ich den Wissenschaftlern, die seit 50 Jahren vor den dramatischen Folgen der technischen Entwicklungen warnen, oder denen, die vor den Wohlstandseinbußen warnen, wenn man den Ersteren Glauben schenkt? Glaube ich den Wissenschaftlern, die vor den nicht beherrschbaren Risiken der Kernkraft warnen, oder den skeptischen Wissenschaftlern der Energiewirtschaft, die einen Blackout voraussagen, wenn man auf Kernkraft verzichtet? Glaube ich den Wissenschaftlern, die auf den schlechten Zustand unserer humusarmen Agrarflächen verweisen, oder den wissenschaftlichen Skeptikern, die uns technische Lösungen dieser Probleme ankündigen? Wäre das nicht auch eine Herausforderung für Sie? Vergleichen Sie doch einmal wissenschaftlich den Zustand von konventionellen Agrarflächen mit den Flächen von Demeter-Landwirtschaft. W. Borutta, Cramonshagen

Wo beginnt Radikalität?

„Klimabewegung und Radikalität: Brauchen wir eine grüne RAF?“, taz vom 19. 12. 21

Die Kolumne von Kersten Augustin hat mich sehr erfreut, weil sie den Rufen „Wir müssen radikaler werden“ etwas entgegnet und dabei gründlich analysiert und Bewegungsgeschichte aufruft. Zugleich bin ich verwundert, denn der Blick in die Bewegungsgeschichte ist dann doch verstellt von einer vermeintlichen Radikalisierung.

„Castor Schottern“ war tatsächlich auch ein gezielter Versuch einiger Akteur:innen, den Begriff des zivilen Ungehorsams zu verändern. Und wenig überraschend gibt es da Überschneidungen mit denen, die jetzt nach „friedlicher Sabotage“ rufen. Keineswegs der gesamte Anti-Atom-Protest radikalisierte sich. Gleichzeitig zum Schottern saßen viel mehr Protestierende in Sitzblockaden auf Straßen und Schienen – weiterhin. Die Steigerung fand auch in der Zahl der Menschen statt. Doch schon damals schauten mehr Kameras und Re­por­te­r:in­nen auf die vermeintlich Radikalen.

Es war am Ende nicht nur die Atomkatastrophe von Fukushima, die Deutschlands langsamen Ausstieg aus der Atomenergie brachte, sondern die ausdauernde Arbeit einer Anti-AKW-Bewegung und von Organisationen und Or­ga­ni­sa­to­r:in­nen dahinter. Radikal war der Super-GAU. Wirkungsvoll war die Arbeit, die Hunderttausenden Menschen die Möglichkeit gab, ihren Protest gegen Atomkraftwerke auf die Straße zu tragen. Wer dabei von friedlichen Aktionen redet, vernebelt.

Eine Demonstration ist per se unfriedlich – sie bricht den Frieden. Sie stört den Ablauf, das Einkaufsgeschehen, den Berufsverkehr. Wenn Frieden mehr ist als die Abwesenheit von Krieg, dann beginnt Unfrieden nicht erst mit Gewalt oder Zerstörung. Der Erfolg sozialer Bewegungen wird in Geschichtsbüchern (und Zeitungen) vielleicht mit einzelnen auffälligen Aktionen erzählt. Doch der Erfolg begründet sich vielmehr in Ausdauer und Hartnäckigkeit; dem Weitermachen, auch wenn es gerade weniger Aufmerksamkeit und kurzfristige Erfolge gibt. Stefan Diefenbach-Trommer, Marburg

Sexualisierte Gewalt gegen Männer

„Verschwiegenes Leid: Sexualisierte Gewalt in Konflikten“, taz vom 17. 12. 21

In weiten Teilen der Welt sind Frauen und Männer von sexueller Gewalt betroffen. Die kulturellen Hintergründe dafür sind bekannt und nur schwer zu überwinden. Aber denke ja niemand, in Deutschland sei das anders! Das Tabu sexueller Gewalt gegen Männer ist auch hier wirkmächtig. Männer kann man nicht vergewaltigen? Männer können nicht Opfer sexueller Gewalt werden? Frauen können nicht Täter gegen Männer sein? Hier spiegeln sich viele Vorurteile und Machtansprüche. Gender bedeutet, beide Geschlechter im Fokus zu haben. Zu hoffen wäre, dass die taz sich des Tabuthemas weiterhin intensiv annimmt. Jörg Wilhelm, Wiesbaden

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen