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meinungsstark

Die Stimmen aus dem Libanon

„Aufstand der Mitbürger“, taz vom 20. 5. 21

Gut, dass die taz jetzt auch Stimmen des im Vergleich zu Israel nur halb so großen Nachbarlandes Libanon und auch die der palästinensischen Israelis zu Wort kommen lässt. Dies ist ja eher selten in der deutschen Presse. Pauschal gesagt, denken die Deutschen doch gern von sich, dass sie normalerweise die Ursachen für Probleme und Konflikte gründlich erforschen, was gerade für die Medien eigentlich selbstverständlich sein sollte. Dies trifft auf das Thema Palästina/Israel aber nicht zu. Zumeist werden irgendwelche kurzfristigen Ereignisse – wer hat was in den letzten Wochen gemacht – als Ursachen festgestellt, und die jahrzehntelange und bis heute andauernde Entrechtung, Enteignung und Verdrängung der Pa­läs­ti­nen­se­r:in­nen außen vor gelassen. Manuela Kunkel, Stuttgart

Vulgärsprache: Männersache

„Politik mit dem polnischen Wir-Gefühl: Weil sich die Regierungspartei PiS erfolgreich als Vertreterin der ,wahren Polen‘ inszeniert, scheinen ihr selbst haarsträubende Skandale nichts anzuhaben“, taz vom 18. 5. 21

Zur inhaltlichen Ergänzung eures Artikels habe ich, als ein sehr gut in D integrierter polnischer Muttersprachler, Folgendes anzumerken: Die Schilderung der polnischen Vulgärsprache ist sehr zutreffend. Was sich allerdings für deutsche Ohren sehr krass anhört, ist in Polen sehr, sehr weit verbreitet.

Fast alle Männer der Unter- und Mittelschicht bedienen sich dieses Idioms, in dem sie (Frauen benutzen es erheblich seltener!) mithilfe der im Artikel geschilderten Vulgarismen komplexe Inhalte ausdrücken können. Das mit Vorsilben versehene F-Verb hat feststehende Bedeutungen: unter-F = stehlen, zer-F = zerstören, an-F = fressen und so weiter …

Kurwa = Hure benutzt der polnische Mann einfach als Satzzeichen, ähnlich einem Komma …

Deshalb ist es verständlich, dass die private Benutzung dieses Idioms durch Politiker keinerlei Empörung in der Bevölkerung hervorruft sondern gerade das Gefühl: „Das ist einer von uns“! Daniel Tomczak, Nowe Worowo, Polen

Alles wohlhabende junge Männer?

„Seenotrettung im Mittelmeer: ,Sea-Eye 4‘ darf Pozzallo anlaufen. Das Rettungsschiff hat Pozzallo auf Sizilien als sicheren Hafen zugewiesen bekommen. Bis dahin sind es zwei Tage Reise – mit 400 Geretteten an Bord“,

taz vom 20. 5. 21

Sahra Wagenknecht behauptet in ihrem neuen Buch, die meisten Migranten seien „risikobereite und vergleichsweise wohlhabende junge Männer“ (Seite 147 ff). Das geht an der Tatsache vorbei, dass nach Erhebungen der Weltbank zum Beispiel 80–90 Prozent der Migranten aus dem Sub-Sahara-Raum aus der Landwirtschaft kommen. Dass diese in ihrer Heimat fehlen, ist angesichts des Verlusts an nutzbarer Agrarfläche durch den Klimawandel und der enormen Überbevölkerung nicht richtig; dies trifft nur auf beispielsweise Mediziner zu, deren Abwerbung in der Tat unterbleiben sollte.

Tatsächlich können viele Familien in den Ländern des Südens aber nur noch durch Unterstützung von ausgewanderten jungen Mitgliedern überleben. Die Rücküberweisungen der Migranten betragen laut Weltbank allein nach Afrika über 40 Milliarden Dollar pro Jahr; ohne dieses Geld wäre die ohnehin extreme Armut in diesen Ländern noch viel größer.

Hans-Jörg Schneider, Saarbrücken

Bald am Fließband: Psychotherapie

„Die normierte Psyche“, taz vom 21. 5. 21

Bundesminister Spahn hat in undemokratischer Manier kurz vor der Lesung im Bundestag, ohne Kenntnis der Belange der Psychotherapie einen normierenden Passus eingefügt. Das reiht sich ein in die Idee, Dokumentationen der Ärz­t:in­nen und Psy­cho­the­ra­peu­t:in­nen direkt in die Cloud zu befördern. Ein Fest für Hacker und Darknet-Erpresser. Und die Versicherten haben keine Ahnung, was mit der elektronischen Patientenakte auf sie zukommt. Bernd Kuck, Bonn

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