meinungsstark:
Ein zerbrochenes Stereotyp
„Arm, jüdisch, in Deutschland: Flüchtlinge aus der früheren UdSSR“, taz vom 23. 1. 20
Mein Freund, ein vornehmer, nicht ganz junger deutscher Gentleman, dessen Vater an der Ostfront gedient hat und NSDAP-Mitglied war, war sehr interessiert: Wie sehen eigentlich diese aus der Ex-UdSSR eingewanderten Juden aus? Ich war auch eine von denen, aber vielleicht nicht repräsentativ genug. Er wollte breitere Massen sehen. Also besuchten wir zusammen ein Konzert in der jüdischen Gemeinde. Ich muss dazu sagen, dass dieser Freund, im Gegensatz zu seinem Vater, kein bisschen antisemitisch war – im Gegenteil, sein Verhältnis zu Juden war sehr gut, interessiert und respektvoll. Das Publikum, das komplett aus jüdischen exsowjetischen Einwanderern bestand, hat ihn stark verblüfft. Das Stereotyp, dass alle Juden mindestens wohlhabend oder sogar reich sind, war für ihn zerbrochen. Die Zuschauer dieses Konzertes jedenfalls sahen nicht so aus, wie er, mein Freund, sich dies in seinem Kopf vorgestellt hatte: sie waren betagt, sie waren sehr altmodisch ärmlich bekleidet, die Schuhe waren abgetragen. Der Mann war perplex. Vielleicht hatte er erwartet, die Nachkommen der KaDeWe-Gründer zu treffen?! Diese Leute existieren woanders … Als ich erklärte, dass es sich hier bei fast allen um Akademiker handelt, die 30, 40, 45 Jahre in der UdSSR oder in den Ländern, die nach ihrem Zerfall gebildet wurden, lebten und dass diese Leute oft leitende Positionen hatten, wurde er total nachdenklich und fragte mich: „Ja, aber sie müssen gute Renten bekommen – warum können sie sich nicht ein paar neue Schuhe kaufen?“ „Weil sie allesamt Sozialhilfe bekommen und keine Rente.“
Die meisten der damaligen Konzertbesucher sind tot. Mein Bekannter, der großes Interesse am jüdischen Leben in Deutschland zeigte, ist auch tot. Und die deutsche Politik ist immer noch unentschieden und werkelt an besseren Lösungen. Und ein Ende ist noch nicht in Sicht.
Natalia Solovtsova, Bremen
Davos: Merkel radikaler als die taz?
„Merkel geht auf alle zu“, taz vom 24. 1. 20
Kaum jemand hat bemerkt, was unsere Kanzlerin in Davos gesagt hat. In der taz stand: „Den Versuch, in Europa und Deutschland bis 2050 Klimaneutralität zu erreichen, bezeichnete sie als ‚Transformation von gigantischem, historischem Ausmaß‘. Dafür müsse man ‚die gesamte Art des Wirtschaften und Lebens des Industriezeitalters verlassen‘ und zu ‚neuen Formen der Wertschöpfung‘ kommen.“ Schade nur, dass Frau Merkels Statement es auch in der taz noch nicht mal in die Rubrik „die These des Tages“ geschafft hat. Aber das will ja keiner wirklich hören: “Die gesamte Art des Wirtschaften und Lebens des Industriezeitalters verlassen“! Freddy Ihm, Bruchsal
Brexit. Noch lange nicht „over“
„They don’t think they’re making a mess“, taz vom 1. 2. 20
Zu Ihrer Überschrift möchte ich nur anmerken:
They don’t think. They’re making a mess.
Jean Urban Andres, Bad Wünnenberg
Trumps kriegerischer „Friedensplan“
„Trumps Nahost-Friedensplan: Nur heiße Luft“,
taz vom 1. 2. 20
Verhalten kritisch bis ablehnend – das ist in etwa die Reaktion der Medien in Deutschland, Österreich und der Schweiz zu Trumps „Friedensplan“. Es hat den Anschein, als ob die Berichterstattung über das Coronavirus dankbar ausgebaut wird, um am heiklen Thema Palästina vorbeizukommen. Unterschwellig ist die Hoffnung zu spüren, dass es bei der Drohung „Friedensplan“ bleiben wird. Das sehe ich eindeutig anders: Ich bin überzeugt, dass Trump das ausgearbeitete Konzept eins zu eins so rasch wie möglich umsetzen wird. Nur der türkische Staatspräsident Recep Tayyip Erdoğan fand die richtigen Worte: „absolut inakzeptabel“. Jedoch – wer wird Trump und damit Netanjahu noch rechtzeitig mit Macht in den Arm fallen? Jürg Walter Meyer, Leimen
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