meinungsstark:
Die Arbeitskraft-Verkäufer*Innen
„Das erste Manifest“, taz vom 10. 8. 18
Weder bin ich bislang, trotz großer Sympathien, Mitglied der Sammlungsbewegung „Aufstehen“, noch hat mich Sahra Wagenknecht beauftragt, den von Hans Sanders und mir geschriebenen Bots-Song „Aufstehn“ aktuell dafür umzutexten. Es ist aber bei einem Lied, das seit „Rock gegen Rechts 1979“ millionenfach verkauft und gesungen wurde, plausibel, dass mit dem gigantischen Start der Sammlungsbewegung (zufällig) gleichen Namens viele Textvorschläge kursieren. In jedem Falle wird es damit sinnvoll, die kulturelle und sozialpolitische Aufwertung von Arbeit und der heute diversifizierten Arbeitskraft-Verkäufer*Innen mehr ins Liedzentrum zu texten.
Die Aktualisierung traditioneller Lieder der antifaschistischen Bewegung hat die taz ja auch, im Falle des Partisanenlieds „Bella Ciao“, beispielhaft hervorgehoben. In aller Bescheidenheit füge ich darum hinzu, dass diesem Zweck auch mein Roman „Bella Ciao“ und die neue Deutschfassung zugetan ist. Das Erstaunliche an diesen Liedern – und das gilt für „Aufstehn“ wie für „Bella Ciao“, sowie für viele „ungehobene rote Schätze“ – ist aber das, was textlich bleiben kann. Und zwar weil ihr Gegenstand, nämlich faschistisches Handeln seiner kriminellen Qualität nach, nicht weggesungen, sondern nur praktisch organisiert niedergekämpft werden kann – und letztendlich nur mitsamt dessen Großfinanziers in dessen imperialistischer Gesamtformation. Ansonsten der „Schoß fruchtbar bleibt“! Diether Dehm, MdB, zurzeit in Cannobio, Italien
Regulatorische Toxikologie
„Glyphosat wird zum Gift für Bayer“, taz vom 13. 8. 18
Die Frage, ob Glyphosat krebserregend ist oder nicht, ist wissenschaftlich unumstritten. Vielmehr handelt es sich dabei um eine Auseinandersetzung zwischen unabhängigen Toxikologen und den Vertretern der Regulatorischen Toxikologie. Bei der Regulatorischen Toxikologie wird die Reinsubstanz nach vorgegebenen Kriterien beurteilt. Studien, die vom regulatorisch festgelegten Design abweichen, werden nach ebenfalls festgelegten Kriterien bewertet. Sie können dann als nicht relevant abgelehnt werden.
Biologische Prozesse gelten als bewiesen, wenn sie auf molekularbiologischer Ebene verifiziert werden können. Das ist für Glyphosat bei einer chronischen Studie an Ratten erfolgt (Mesnage et al., 2015). Allerdings wurde bei dieser Studie Roundup untersucht, eben das Produkt, dem der Mensch ausgesetzt ist. Die darin enthaltenen Tenside ermöglichen Roundup die Überwindung der zellulären Barrieren, sodass Glyphosat in Kontakt mit der DNA kommt und bei der Zellteilung zu Störungen führt. Die Studie wurde als nicht relevant angesehen. Eine Fehleranalyse bei der statistischen Auswertung der regulatorischen Krebsstudien an Ratten und Mäusen wurde ignoriert (Peter Clausing 2017).Anita Schwaier, Angermünde
Ich bin keine Kollaborateurin
„Wegsehen mit System“, taz vom 8. 8. 18
Ich unterstütze jeden einzelnen Satz von Heide Oestreich bezüglich der Situation von Frauen, die hier in Deutschland tagtäglich Gewalt erleben. Es ist ein Skandal, der kaum mediale Aufmerksamkeit findet. Nur über einen Satz bin ich gestolpert: „Privilegierte Frauen, die ihre Privilegien nicht nutzen, um daran etwas zu ändern, sind die Kollaborateurinnen des Ganzen.“ Ich bin eine dieser privilegierten Frauen. Ich bin weiß, bin 57 Jahre alt, habe einen relativ sicheren Job, habe einen Freund, der gut verdient und mich daran teilhaben lässt, und ich habe ein gutes soziales Netz – ich habe einfach Glück gehabt in meinem Leben. Ich engagiere mich, seit ich denken kann: gegen Atomkraft, für AsylbewerberInnen, gegen den Paragrafen 218, gegen Gewalt an Frauen.
Ja, zurzeit engagiere ich mich nichtfür Frauen, die häuslicher Gewalt ausgesetzt sind. Ich lese es nur und werde wütend darüber, habe aber nicht mehr die Kraft, mich für diese Frauen einzusetzen. Und trotzdem möchte ich nicht als Kollaborateurin abgestempelt werden. Jede dort, wo sie gerade steht und die Kraft hat, aktiv zu werden. Elisabeth Benzing, Nürnberg
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