meinungsstark:
30 Cent sind nicht genug
„30 Cent können retten“, taz vom 5. 12. 17
Jakob Simmank schreibt über vernachlässigte Tropenkrankheiten und hat recht, wenn er beklagt, dass im Zusammenhang mit der internationalen Finanzierung von Maßnahmen gegen HIV und Aids der Fokus von anderen wichtigen Gesundheitsgefahren in den armen Ländern verschoben wurde. Gleiches gilt jetzt für die Gelder, die im Nachgang zu der Ebola-Epidemie in Liberia, Guinea und Sierra Leone international zur Verfügung gestellt werden. Allerdings lässt der Beitrag den Schluss zu, dass 30 Cent ausreichten, um Leben zu retten und aus der Armut herauszuhelfen im Vergleich zu den ungleich teureren Medikamenten, die eine HIV-Infektion unter Kontrolle halten. Das ist leider sehr vereinfacht gedacht.
Wurmerkrankungen sind ja gerade bedingt durch Armut: Kinder haben keine Schuhe und so können die Hakenwürmer leicht in die Haut am Fuß eindringen. Es gibt kein sauberes Wasser, die Notdurft wird mangels Toiletten oder Latrinen verrichtet, und dies trägt zu weiteren Infektionsquellen bei. Es gibt nicht genug Essen und schon gar kein gesundes Essen, was Kinder und Erwachsene anfälliger für Krankheiten insgesamt macht. Da sind Mittel gegen Wurmerkrankungen leider wirklich weniger als ein Tropfen auf den heißen Stein.
Darüber hinaus reicht es ja nicht aus, einmal diese Medikamente zu sich zu nehmen. Ich habe lange in Nicaragua gelebt, und dort wurde meine Tochter im Kindergarten alle sechs Wochen „entwurmt“, und wir haben dasselbe mit unseren Patienten in den Dörfern gemacht. Warum? Weil die Infektionsquellen eben damit nicht verschwinden, sondern weiterbestehen und damit auch die Gabe von Entwurmungsmitteln immer wieder erfolgen muss. Allein das macht schon deutlich, dass es mit 30 Cent nicht getan ist, sondern mit der circa 10-fachen Menge pro Jahr und Person (also für 1,5 Milliarden Menschen!), und trotzdem kurieren wir damit nur Symptome weitaus umfassenderer und krankmachender Verhältnisse für die Gesundheit von Menschen.
Das Beispiel macht auch deutlich, dass der medizinische Sektor/das Gesundheitssystem für viele Gesundheitsprobleme gar nicht die Ursachen bekämpfen kann, sondern dass Gesundheit von vielen anderen guten Bedingungen im Leben von Menschen abhängt: der unmittelbaren Umwelt, den finanziellen Möglichkeiten, der Bildung und dem Wissen um gesundheitliche Risiken. Das alles gehört auch zum Thema globale Gesundheit und geht weit über die Betrachtung von Krankheiten und deren Therapie hinaus. Alles, was der Meinungsbeitrag von Jakob Simmank beschreibt, ist gleichzeitig richtig und furchtbar falsch.Barbara Kloss-Quiroga, Berlin
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