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Archiv-Artikel

lob des luxuskommunismus von WIGLAF DROSTE

Wie muss man leben, um in Deutschland Sozialist oder Kommunist sein zu dürfen? Am besten lebt man gar nicht, sondern ist gleich tot. Wenn es aber unbedingt sein muss mit dem Leben, dann bitte gefälligst bettelarm. Ein Kommunist, der noch drei Euro achtzig in der Tasche hat, ist ein Lügner und Heuchler. So hat es Bild beschlossen, und der Unfug wird nachgebetet.

Vergangenen Freitag, am 9. September, konnte Bild Leipzig mit einer ganz großen Sensation aufwarten. „Die Schätze eines Luxus-Kommunisten“ war ein Stück betitelt, das ungeheure Enthüllungen aus dem Leben des kommunistischen Schriftstellers Peter Hacks feilbot. So geht das los: „Auch Vorzeige-Kommunisten trinken manchmal lieber Wein als Wasser.“ Huch! Wäre Hacks nicht am 28. August 2003 gestorben, von solchen Vorwürfen würde er sich nicht mehr erholen.

„Er sammelte nur die erlesensten Antiquitäten und Gemälde.“ Schlimm! Ein Kommunist hat gar nichts zu sammeln, abgesehen von Vorstrafen und vielleicht ein paar Kräutern im Walde, die er sich dann in die dünne Wassersuppe hineinkrümelt, die ihm seine ausgezehrte Frau serviert, bevor sie 17 greinende Kinder in den Schlaf prügelt. Ein deutscher Kommunist lebt nach dem Satz von Simone Borowiak: „Wir waren so arm, wir hatten nicht mal Hunger.“

Anders Hacks – seine Berliner Stadtwohnung und sein Haus in Brandenburg waren kultivierte Orte. Hacks war ein Mann der Künste, hochgebildet, ein Mensch von Stil und Geschmack. Das darf man zwar ausnahmsweise sogar sein in Deutschland, allerdings nur, wenn man sich dem Klassenkampf von oben nach unten verschreibt. Ein Kommunist, der die Utopie vom besseren Leben bereits lebt, geht zu weit. Den muss man diskreditieren nach der alten Regel: Ist das Hirn zu kurz gekommen, wird sehr gern Moral genommen.

Bild bietet zu diesem Zwecke einen Wolfgang Henning auf, „57, Kunsthistoriker“, der gegen Hacks den Vorwurf erhebt, auch ein sexuelles Wesen gewesen zu sein: „Besonders die erotischen Bilder hatten es ihm angetan“, schreibt Henning – man sieht förmlich, wie ihm der Sabber läuft. Kommunisten nämlich haben sich in Selbstkasteiung und Askese zu üben; tun sie das nicht, sind sie, so will es die Propaganda, eben Heuchler und auch noch Lüstlinge. Hacks aber, der Dichter, wusste um die Wonnen und ihre Wirkungen. Sein Gedicht „Auf einen bronzenen Gartengott von Salow“ hat ein äußerst befriedigendes Ende: „Abends liegt sie noch wie schwebend, / Das Begebnis nacherlebend, / Leise zieht durch ihr Gemüt / Die Kontur von seinem Glied.“

Wenn Antje Vollmer oder Wolfgang Niedecken mal wieder dringend „mit Nazis reden“ wollen, ist das in Deutschland konsensfähig – genau wie das De-facto-Kommunistenverbot. Der angestammte Platz des deutschen Kommunisten ist das Zuchthaus, das Lager. Er hat kein Recht auf den geringsten Besitz, und niemals im Leben hat er Sex, jedenfalls keinen guten. Wer noch etwas zu verlieren hat, und sei es nur eine schlecht bezahlte Arbeit, darf links weder sein noch wählen. So ist es geregelt vom Hause Springer und seinen zahllosen Wiederkäuern.