live im diesseits : Jens Friebe in Bremen
Ein Typ von der Stange in schlumpfigen Klamotten. Dazu: angedeutetes Lächeln. Alles andere wäre zu auffällig und zu anstrengend. Aber hinter dem lieblich unfrisierten Seitenscheitel soll die Neueste Deutsche Welle herumlungern. Reichlich Begeisterung begleitet den in Berlin hausenden Lüdenscheiter Musikanten Jens Friebe, Jahrgang 1975. Seine Debüt-CD „Vorher Nachher Bilder“ ist auf dem Zickzack-Label Alfred Hilsbergs erschienen, dem Groß- und Übervater der Independent-Szene. Aber auf der Dorfdisko-Bühne des Bremer Güterbahnhofs vermag der neue Popstern nicht recht zu strahlen.
Mit müde beschwipster Heiterkeit und einer nasal lauen, jaulig hohen Sprechnölstimme setzt Friebe seine Pop-Lyrics auf die Themen der Zeit an (in Klammern eingefügt): „Ich hab heute Nacht geträumt (Retro-Mode der sensiblen Introspektion) / Ihr wärt bei mir (Leben im Kumpelland) / Und draußen wär der Feind (böse Gesellschaft) / Ich glaube, es ist Blut geflossen“ (Revolution). Es folgen die folterkritischen Zeilen: „Wenn man euch die Geräte zeigt / werdet ihr uns verraten“.
Schließlich darf geträumt werden, „es wär nicht alles egal / und wir hätten eine Wahl (Utopie) / vor uns lag ein hoher Berg / und zwischen diesem Berg / und uns war ein Tal“. Berg- und Talfahrt der hehren Metapher – von der Schwierigkeit des Erwachsenwerdens oder Kennenlernens fremder Körper. Was Friebe auch so ausdrückt: „Es war vor einem Jahr / ich ging in eine Bar / du warst schon da / wir lernten uns kennen / seitdem sind wir zusammen.“
Ebenso nett selbstparodistisch erklingt die dazu tuckernde Musik. Von Discobeats dezent angetriebener Synthiepop, NdW-Nostalgie, zu müder Ironie erschlafftes Songwritertum. Live charmant dilettantisch dargeboten mit verstimmten Saiten, knarzenden Verstärkern, vertrödelten Ansagen. Ambitionsloser Diskurspop aus Urbanistan.
Die Musik bleibt so beiläufig wie Tapeten überflüssig sind. Ein Konzert ohne Show, ohne Attitüde – einfach unaufdringlich. Alle Aufmerksamkeit den Texten. „Junger Mann, junger Mann“, singt das Publikum mit, „haben sie mir was zu sagen / oder ist es nur ein Katzensprung / von hier nach Westernhagen? / Dann ist es bald zu spät“. Unsere Uhr zeigt fünf vor elf. Es besteht noch Hoffnung für die deutsche Pophoffnung. fis
Weiteres Konzert: 21.10, Hamburg, Tanzhalle St. Pauli