lindner-urteil : Ein struktureller Skandal
Manchen ist das Urteil gegen Andreas Lindner noch viel zu gering. Schon als nicht einmal die Anklage eine zweistellige Haftstrafe gefordert hatte, war Gegrummel vernehmlich: Die paar Jahre. So einer müsse doch… Schließlich ist er die Symbolfigur des Bremer Klinikskandals.
KOMMENTAR VON BENNO SCHIRRMEISTER
Mitleid mit Lindner, der in einem Fragebogen einst angab, nichts so sehr zu verabscheuen wie „unsoziale Menschen, die nur ihren eigenen Vorteil im Sinn haben“, wäre in der Tat fehl am Platz. Aber ebenso falsch wäre es, den ganzen Skandal zu personalisieren: Mit gutem Grund wertet die siebte Strafkammer des Bremer Landgerichts die atemberaubenden Kontrolldefizite als strafmildernd: Das ist die strukturelle Seite des Skandals.
Ursache der mangelhaften Aufsicht war eine einseitig auf Wirtschaftlichkeit bedachte Klinikpolitik: Man hatte nach tatkräftigen Manager-Typen gesucht, ihnen lange Leine gelassen. Und ist betrogen worden.
Hat Bremen etwas daraus gelernt? Zwar hat der parlamentarische Untersuchungsausschuss empfohlen, fortan besser hinzuschauen. Nach anfänglichem Zögern aber tendiert auch die neue Landesregierung in der Frage der künftigen Klinikpolitik zum so genannten Public-Private-Partnership-Modell: Das kann, wirtschaftlich, viel Gutes haben. Immer aber bedeutet es den Verzicht auf Kontrollmöglichkeiten.