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Archiv-Artikel

leserinnenbriefe

Wenig hilfreicher Applaus

■ betr.: „SPD geht auf Distanz zu Sarrazin“, taz vom 6. 10. 09, „Kritik an Sarrazin hält an“, taz vom 7. 10. 09

Sicherlich spricht Sarrazin im Kern ein wichtiges Thema an und hat in der Sache auch nicht nur Unrecht. Es liegt aber auch an dem Unwillen, diese Menschen als Deutsche zu sehen, dass sich viele gerade junge Migranten immer weiter isolieren und in ihre alte Kultur flüchten, anstatt sich zu lösen.

Applaus von Leuten wie Baring oder gar Giordano (der selber wissen müsste, was Statements wie die von Sarrazin anrichten können) in den Springer-Medien sind wenig hilfreich und fördern Rassismus und eine weitere Spaltung der Gesellschaft. Wenn die Menschen von uns voll akzeptiert und anerkannt werden, in Medien, Politik und Sport mehr Migranten als Vorbilder präsent sind, erledigt sich religiöser Übereifer, mit Moscheebauten, Kulturvereinen und Kopftüchern von ganz alleine, und diejenigen, die das immer noch brauchen sollten, können von uns locker toleriert werden.

MARKUS MEISTER, Stromberg

Bücher leihen verführt

■ betr.: „Nur zwei von drei Haushalten kauften Bücher“,taz vom 7. 10. 09

Zu der dpa-Meldung „Nur zwei von drei Haushalten kauften Bücher“ schrieb die taz den Bildtext „seltene Bücherfreunde“ und meinte damit wohl die Menschen in Deutschland oder – wie das Bild vermuten lässt – besonders die Jugend. Das halte ich für ein vorschnelles negatives Urteil.

Um das Leseverhalten der Deutschen zu bewerten, müsste der Verleihbetrieb in sämtlichen Stadt-/Gemeinde-/Schul- und Kindergartenbibliotheken auch erfasst werden. Ich bin mir sicher, dass das Ergebnis gar nicht so schlecht wäre. Bücherleihen verführt zum Ausprobieren und zu vielseitigen Leseerlebnissen, spart enorm Geld in der Anschaffung (Kinderbilderbücher sind teuer und man braucht zum gepflegten Vorlesen täglich mindestens eines) und in der Aufbewahrung, außerdem sind Bibliotheken tolle Orte mit vielen netten Menschen und oft guten Kulturangeboten. Nachteile gibt es zugegebenerweise für den Buchhandel, den Möbelhandel und für Feng-Shui-Berater. SIMONE PARBEL, Friedberg

Politik darf nicht einknicken

■ betr.: „Das Wiedereinstiegsprogramm. Dürfen Union und FDP die Laufzeiten der Atomkraftwerke einfach verlängern?“,taz vom 6. 10. 09

Ich bin der Meinung, dass Merkel und Westerwelle nicht wegen ihrer positiven Haltung zur Atomenergie gewählt wurden, sondern trotzdem. Wenn es ihnen nicht gelingt, den Forderungen der Atomlobby standzuhalten, droht großer Widerstand von der Anti-Atom-Bewegung. Die Bürgerinnen und Bürger werden es bald satthaben, dass sie die Atomkonzerne mit jährlich mehr als zwei Milliarden Euro subventionieren. Im Gegensatz zu Öl und Kohle gibt es nämlich keine Steuern auf Uran und Plutonium. Außerdem fehlt eine volle Haftpflichtversicherung für die Konzerne bei einem Unfall. Und auf den Kosten für den Atommüll bleibt auch der Steuerzahler sitzen. Wenn die Atomkonzerne also jetzt am Atomausstieg rütteln, um ihre Gewinne zu maximieren, dann darf die Politik nicht einknicken.

OLIVER NEUHEUSER, Frankfurt am Main

Eine große Mitgliederpartei

■ betr.: „Verachtung für die eigene Basis“, Stefan Reinecke über die SPD nach dem Schock, taz vom 7. 10. 09

Nicht auszuschließen, dass es SPD-Mitglieder gibt, die denken wie Reinecke schreibt, schließlich ist die SPD anders als „Linke“, „Grüne“, „FDP“ immer noch eine große Mitgliederpartei – und die große Mehrheit der SPD-Mitglieder wird sich sicher Reineckes Schlussfolgerungen nicht anschließen wollen.

Wie die SPD ihr Führungspersonal aussucht, steht in Organisationsstatut und Wahlordnung. Dazu gehört, dass der Parteivorstand einen Vorschlag unterbreitet. Müntefering, Nahles und Co haben nur ihre Pflicht erfüllt, sonst nichts. Gewählt wird auf dem Parteitag. Dort könnte Mentor Scheer ebenso kandidieren wie Mentorin Ypsilanti, mal sehen. Der Vorwurf eines Putsches ist absurd. Was man so nennen könnte, hat es in der SPD nur einmal gegeben: 1995 auf dem Parteitag in Mannheim, als ein Vorsitzender in einer Weise gewählt wurde, die den damaligen Vorschriften des Organisationsstatuts nicht entsprach. Sein Name: Oskar Lafontaine.

DIETRICH EINERT, Düsseldorf