leserinnenbriefe :
Armes Jamaika
■ betr.: „Jenseits des Saarlands u. a., taz vom 13. 10. 09 ff.
Ich kann das Geschwafel von den „großartigen Verhandlungserfolgen“ der saarländischen Jamaika-Wahlbetrüger nicht mehr hören.
Ich habe den Verdacht, dass die Grünen einen Offenbarungseid scheuen. Das, was einmal ein herausragendes Merkmal der Grünen war, dass sie nämlich auch die technisch-wissenschaftliche Seite der Umweltpolitik draufhatten, ist, wenn überhaupt noch, längst kein alleiniges Merkmal der Grünen mehr. In einer Koalition, in der es nicht wie vor 25 Jahren in der Bundesrepublik (und jetzt immer noch gegenüber Schwarz-Gelb im Saarland und der Bundesregierung) um den politischen Willen zum Ausstieg aus Kernenergie und fossilen Energieträgern geht, sondern um die Durchsetzung der von einer Bevölkerungsmehrheit längst akzeptierten Positionen gegen die Macht- und Monopolstrukturen der Energieversorger, sind plötzlich ganz andere Fähigkeiten gefragt. Da geht es darum, ob man überhaupt einen Plan entwickeln kann für den Umstieg, und darum, welche Brückentechnologie wie lange noch gebraucht wird. Und es geht darum, dicke Bretter zu bohren, diese Politik gegen den erbitterten Widerstand der Oligopole durchzusetzen. Und dass die Grünen dann genau wie die Linke und die SPD, sofern dabei, dem Gezeter der konservativen Opposition ausgesetzt sind und es ertragen müssen, von den Medien und ihren journalistischen Leithammeln nicht mehr geliebt zu werden.
Dann verfängt diese alberne Mischung aus grüner Symbolpolitik (Frösche/Hamster/Streuobstwiesen retten! Fahrräder für alle!) und Selbstgeißelung des arrivierten Bürgertums (Tempo 30 auf allen Innenstadtstraßen!) auch nicht mehr. Also führt man lieber ein kraftmeierndes Jahrmarkttheater auf: „Oskar der Schreckliche: ein Dramolett ohne Ende“ anstatt sich den Zumutungen einer immerhin eventuell möglichen radikaleren, rational begründeten Umweltpolitik in einer rot-rot-grünen Koalition zu stellen.
MARTIN STOCKER, Stuttgart
Nackter Profit als Selbstzweck
■ betr.: „140 Milliarden für die Banker“, taz vom 15. 10. 09
Mit ein paar Bildern verhungernder und kranker Menschen, gegenübergestellt den in der größte Krise quasi von uns Bürgern bezahlten Renditen in Milliardenhöhe für die „kriminellen Kasinospieler“, haben Sie ohne Worte oder Kommentierung den Istzustand unserer kranken Welt überzeugend aufgezeigt.
Getrieben von den Wahnideen des neoliberalen Kapitalismus mit seinen verstaubten und überholten Ideologien, wird der nächste Crash mit riskanten Anlagen zu unser aller Lasten von den angeblichen Hütern der freien Marktwirtschaft wieder vorbereitet. Entgegen ihren Beteuerungen wird die Politik auch weiterhin die unregulierten und unkontrollierten Märkte hinnehmen, in der der nackte Profit als Selbstzweck und Maß aller Dinge bleiben dürfte. In der auch weiterhin vom Kapital geführten Republik zugunsten von Minoritäten öffnet sich die Schere zwischen Arm und Reich immer weiter, in der Konsequenz damit zu einem Unrechtsstaat, der immer mehr Bürgerrechte beschneidet und Armut züchtet.
FRED WALTER, Remscheid
Reichtum gewinnt immer
■ betr.: „140 Milliarden für die Banker“, taz vom 15. 10. 09
Noch mal für alle zum Mitschreiben: Börsenboom: Reichtum gewinnt. Weltweite Krise: Reichtum gewinnt. SPD-Regierung: Reichtum gewinnt. (so viel zu „Sozial…“) CDU-Regierung: Reichtum gewinnt (doppelter Einsatz bei FDP-Beteiligung). Haushaltssanierung: Reichtum gewinnt. Schulden für „Wirtschaftsrettung“: Reichtum gewinnt.
Irgendwie habe ich das mit dem „Systemfehler“ nach Lehman wohl falsch verstanden. Und die sogenannten Ökonomen halten das alles für normal. MAIK HARMS, Hamburg
Solidarische Krankenversicherung
■ betr.: „Der Fluch des Wahlversprechens“, u. a., taz vom 16. 10. 09
Sagt bitte mal eine/r der FDP und anderen Marktträumern, dass private Unternehmen nicht willens sind, kranke Menschen zu versichern? Es widerspricht ihrem Profitstreben. So habe ich es erst neulich erlebt, als ich eine Krankenzusatzversicherung abschließen wollte. Als Mensch mit Allergie bin ich für die ein untragbares Risiko. Deshalb: Krankenversicherung geht nur solidarisch! Nur so haben Kranke eine faire Chance auf Gleichbehandlung.
MATTHIAS ERTEL, Wuppertal
Tigerenten-Geschwurbel
■ betr.: „Der Fluch des Wahlversprechens“, taz vom 16. 10. 09
Union und FDP haben im Wahlkampf wissentlich falsche Steuersenkungsversprechen gegeben, die ihnen damals laut einer Umfrage zirka 70 Prozent der WählerInnen eh nicht abnahmen. Von daher hat es etwas Tragikomisches, dass sich Merkel, Westerwelle & Co. nun so um nachträgliche Glaubwürdigkeit bemühen, ohne allerdings etwas gegen die Ebbe in der Staatskasse in der Hand zu haben.
Noch komplizierter wird das Tigerenten-Geschwurbel, weil nicht allzu viel Schaden vor der Landtagswahl in NRW angerichtet werden darf. Philologen dürfen sich also auf die Wortakrobatik der kommenden Tage freuen, wenn Union und FDP den Bruch ihrer Versprechen zu verharmlosen versuchen … JENS MARTIN, Osnabrück