leserinnenbriefe :
Vor der Atomlobby auf dem Bauch
■ betr.: „Schwer erträgliche Dreistigkeit“, taz vom 7. 9. 10
Wenn Frau Merkel die einzige Option, im Amt zu bleiben, klaglos opfert, die Grünen verprellt und vor der Atomlobby auf dem Bauch kriecht, dann zeigt sie deutlich, wie machtlos sie tatsächlich ist. Hoffentlich sieht sie das endlich selber ein. Ihre Untertanen wissen das schon lange. Frau Merkel sollte still und heimlich ihre Koffer packen und endlich verschwinden. Und Herr Röttgen? Kapiert auch er, dass das Amt eines Umweltministers nur eine Alibifunktion hat? Zu entscheiden hat er nichts. Besitzt er so viel Rückgrat zu sagen: Macht euren Dreck alleene? Aber sicher hat er das Standardwerk der Minister genau studiert. Das Buch trägt den Titel: Laufen lernen ohne Rückgrat. WOLFGANG SEIBT, Friedberg
Milliarden stehen hinter Merkel
■ betr.: „Schwer erträgliche Dreistigkeit“, taz vom 7. 9. 10
milliarden stehen hinter ihr: ja, in der tat eine schwer erträgliche dreistigkeit. was diese verhandlungen und das ergebnis auch sind: ein lehrstück in angewandter politikverdrossenheitserzeugung. warum ist herr röttgen noch im amt? warum ist er nicht erhobenen hauptes und wutschnaubend aus dem verhandlungssaal gestürmt, nachdem er vorher der merkel und ihren kumpanen noch einmal kräftig vors schienbein getreten hätte? wie wenig selbstachtung, wie viel angst, nicht mehr mitspielen zu dürfen, muss einer haben, um nach dieser demütigung lächelnd vor die kameras zu treten? dass merkel zu den fischers, schröders und kohls dieser welt gehört: geschenkt. nun demonstriert also auch röttgen, dass er für seine überzeugungen (die ich ihm naiverweise abgenommen hatte) aber auch gar nichts zu tun oder aufzugeben bereit ist. interesse an oder gar begeisterung für politik lässt sich so kaum erzeugen.
CHRISTIAN SCHMITT-KILB, Buchholz
Eine rhetorische Dreistigkeit
■ betr.: „Das ist eine Kampfansage und kein Koalitionsangebot“, Trittin-Interview, taz vom 7. 9. 10
Der Klimagipfel von Kopenhagen hatte uns schon keinen einzigen Schritt vorwärts gebracht. Das Einknicken der CDU-FDP-Antiregierung geht aber noch darüber hinaus: Es wirft uns um ein Jahrzehnt zurück. Zurück hinter einen 2000 mühsam ausgehandelten Kompromiss mit der Atomlobby. Nun also „ein neuer Kompromiss“, der den vier marktbeherrschenden Energieversorgern Milliardengewinne, aber der restlichen Bevölkerung unabsehbare weitere Entsorgungskosten, weiter steigende Krebsquoten und eine unsichere Perspektive für regenerative Energien beschert. Der dringend notwendige Ausbau der Netze rückt in weite Ferne. Nichtsdestotrotz versucht sich die Merkel-Regierung eines „Erfolges“ zu rühmen. Sie spricht paradoxerweise gar von „einer Revolution im Bereich der Energieversorgung“. Eine rhetorische Dreistigkeit. Die Macht der Verbraucher ist gefordert: Wenn alle derzeit erzürnten Kundinnen und Kunden von RWE, Eon, Vattenfall und EnBW ihren Stromanbieter wechseln, würde die Atomlobby ihr blaues Wunder erleben.
KURT LENNARTZ, Aachen
Es gibt kein sicheres Endlager
■ betr.: „Strahlende Aussichten“, taz vom 6. 9. 10
Die langfristige Lagerung radioaktiven Abfalls ist nicht geklärt. Dennoch trifft die Bundesregierung Beschlüsse, welche für weitere tausende Tonnen Atommüll sorgen werden.
Wird Gorleben ein „sicheres Endlager“? Nach der Regel „Hinein und zu und für immer erledigt!“. Hatten uns die Atom-Freunde die Asse und Morsleben nicht auch als sichere Endlager aufgeschwatzt, bis man die Situation genauer untersuchte und eine unbeschreibliche Schlamperei vorfand?
Der Schrott, welcher eingelagert werden soll, ist weder Asche noch Metall. Vielmehr sind es radioaktiv belastete Materialien. Sie „leben“. Darum sollte man zumindest nach 50 oder 100 Jahren nachsehen können, ob noch alles in Ordnung ist. Oder darf man sicher sein, dass in den nächsten 1.000 oder 10.000 Jahren ganz bestimmt nichts Schlimmes passieren wird?
Wenn wir uns diese Situation vergegenwärtigen, wird deutlich, dass es keine Lagerung ohne Möglichkeit der Inspektion oder Rückholung geben darf. Aber das ist eine „Langzeit-Lagerung“, keine „Endlagerung“. Der Atommüll bleibt ein trauriges Erbe, das wir vielen nachkommenden Generationen hinterlassen werden.
JÖRG NEUMANN, Berlin