kurzkritik : Anarchistische Unterhaltung
Vier Stadtmusikanten aus Antwerpen wollten eine Punkband gründen, weil sie die den Adrenalinpegel und aggressiven Charme dieser Musik so lieben. Aber die klassisch ausgebildeten Instrumentalisten beherrschen mehr als drei Akkorde – und wollten auf der Bühne keine tobenden Jungs spielen. Also zieht Anarchistische Abendunterhaltung (DAAU), Belgiens Neo-Folk-Punk-Kammerjazzquartett, nach Bremen, schiebt im Schlachthof die Lautstärkeregler bis zum Anschlag hoch, bittet Schlagzeuger und Bassisten hinzu: Let‘s rock. Klezmer-inspiriert der Klarinettist, das Cello in Heavy Metal-Manier besägt, als Klangfrickelkünstler stellt sich ein Akkordeonspieler vor – und der Teufelsgeiger feiert die Ekstaselust der Hochzeitskapellen des Balkans. Mit prächtig harmonierendem, jazzig verschworenem Zusammenspiel verdichten sich die stilistischen Einflüsse zu eigenwillig dramatisch vertracktem Sound. Dann ein Break, zurück zu minimalistischen Klangflächen, auf denen kleinteilige Phrasen schwirren, mit kammermusikalischer Sensibilität vernetzt. Eine energietrunkene Kunst, die sich „Anarchistische Abendunterhaltung“ für alle Steppenwölfe unter den Hermann Hesse-Lesern nennt. Wahrlich „magisches Theater“ (wieder Hesse), erst verliert man die Orientierung, genießt dann das kribbeblige Gefühl der Freiheit, kostet den bittersüßen Geschmack des Chaos – und fühlt sich doch beschützt von der strukturierenden Kraft des kompositorischen Überbaus. Gastierte im Schlachthof (29.6.)