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kunstraumNeue Räume des Begehrens

Claude Cahun, „Keepsake 4“ (Faksimile), 1939 Foto: Courtesy: KJersey Heritage Museum; ©Max Eulitz, VG Bild-Kunst

Um Politik und Körper geht es bei Scherben e. V. mit der dreiteiligen Ausstellungsreihe „Lesbian Legacies“, deren erster Teil „Grace of Desire“ Arbeiten queerer Künst­le­r:in­nen wie Claude Cahun (1894–1954), Florence Henri (1893–1982), Marta Hoepffner (1912–2000) und Krista Beinstein (*1955) zeigt.

Mit Claude Cahun haben Tarik Kentouche und Lorenz Liebig von Scherben sowie Birgit Bosold, Expertin für queeres Kulturerbe, natürlich eine wirkliche Größe des Surrealismus in den Ausstellungsraum geholt. Fünf ihrer wahnwitzigen Selbstporträts, inszeniert als abgetrennter Kopf unter einem Glassturz, sind in der Leipziger Straße zu bestaunen.

Vielleicht nicht wirklich berühmt, aber bekannt ist Florence Henri. Scherben zeigt schöne Beispiele der typischen Verwendung von Spiegeln für ihre Fotografien, mit denen sie komplexe, mehrfach gespiegelte Räume und eine Art kubistische Polyperspektivität schafft.

Auch Marta Hoepffner war vor allem nach dem Krieg für ihre experimentelle Fotografie sowie ihre private Fotoschule bekannt. Inzwischen ist sie eher vergessen. Wer sich aber mit Kunst und Fotografie der 1920er und 1930er Jahre beschäftigt, kommt an ihren Solarisationen, gerne weibliche Akte, nicht vorbei, wie sie auch Scherben aus den Jahren 1939 und 1940 neben einer abstrakten Farbsolarisation von 1957 zeigt.

Bei Krista Beinstein, die mit Prothesia 1, 2 und 3 aus der 2004 entstandenen Serie „Klitoride Extravaganz“, die ganz großen s/w-Formate an die Wände bringt, ist der Schritt von der Avantgarde der 1920er Jahre in die Gegenwart vollzogen. Sie profitiert natürlich – und das zeigt sie auch ganz offen in ihren Arrangements – von den Provokationen ihrer Vorläuferinnen in Kunst und Fotografie, von der gesellschaftlichen Liberalisierung und ganz klar vom Punk. Ihre gern maskierten, latexverliebten, extrem korsettierten und mit mächtigen künstlichen Brüsten und kleinen Minipimmeln ausgestatteten Frauen sind beeindruckende Erscheinungen. Der Infotext nennt sie die Grande Dame des sexpositiven Feminismus in Deutschland. Man sollte sie kennen lernen, es lohnt sich.

Lesbian Legacies #1: Grace of Desire, Claude Cahun, Florence Henri, Marta Hoepffner, Krista Beinstein. Scherben, bis 8. 6., Fr.–So. 14–18 Uhr + nach Vereinbarung, Leipziger Str. 61; 18. Mai: Dr. Claudia Reiche im Gespräch mit Krista Beinstein, 19 Uhr

Brigitte Werneburg

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