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Archiv-Artikel

kuckensema: auf bremens leinwänden „Faster, Pussycat! Kill! Kill!“ von Russ Meyer

Manchmal ist es schon sehr kurios, wie sich die Zeiten ändern. In den 80er Jahren verübten radikale Feministinnen Buttersäureanschläge auf Bremer Programmkinos, in denen die „sexistischen Machwerke“ von Russ Meyer gezeigt wurden. In dieser Woche bildet dagegen Meyers „Faster, Pussycat! Kill! Kill!“ den krönenden Abschluss der Filmreihe „Überdreht im Kino“, die von der postfeministischen Gruppe „thealit“ in Zusammenarbeit mit der Universität und dem Kino 46 veranstaltet wird.

Einst titelte der deutsche Verleih den Film fantasievoll in „Die Satansweiber von Tittfield“ um, und versprach im Werbetext „vollbusige Schönheiten, die nicht nur dein Herz, sondern auch dein Genick brechen können“. Doch seit die Filmkritikerin B. Ruby Rich, die den Begriff „Queer Cinema“ prägte, ihn in den 90er Jahren als „lesbian camp“ neubewertete, läuft er auf Frauenfilmfestivals. Rich rühmte Meyer gar als den „ersten feministischen Regisseur Amerikas“, in dessen Filmen die Männer als dumme Sexobjekte porträtiert würden. Für John Waters war er dagegen der „Eisenstein des Sexfilms“, und diese Einschätzung macht auf den ersten Blick auch mehr Sinn, denn wenn etwas in diesen Filmen sofort ins Auge springt, dann sind es die riesigen Busen der Darstellerinnen.

Meyer war besessen von Brüsten, und beim Casting war bei ihm die Körbchengröße immer wichtiger als so etwas Nebensächliches wie schauspielerisches Talent. So sind die drei Heldinnen von „Faster, Pussycat! Kill! Kill!“ eher Naturgewalten als auch nur halbwegs glaubwürdige Charaktere, und diese extreme Stilisierung strebte Meyer auch an, wenn er sie ihre Oberweiten so bedrohlich wie Waffen in die Kamera ragen lässt.

Varla, Rosie und Billie sind alles andere als Sexobjekte, wenn sie in ihren Sportwagen in die Wüste fahren, um dort jeden Mann zu terrorisieren, dem sie begegnen. Die blonde Linda ist eine Whisky schluckende Nymphomanin, Rosie eine liebeshungrige Lesbe und Varla die sadistische Anführerin dieser Girlie-Gang avant la lettre. Bald haben sie einen jungen Playboy getötet sowie seine wimmernde Freundin entführt, die für den Rest des Films ständig kurz davor ist, vergewaltigt zu werden. Mal von einem verkrüppelten alten Mann und dann wieder von dessen schwachsinnigem Sohn, nach dessen Muskeln die liebestolle Billie lechzt. Jede Filmfigur ist grotesk überzeichnet und die Szenen sind so hysterisch überspitzt, dass „Pussycat“ wie ein Popcomic wirkt, in dem die Superhelden fehlen und die Superschurken Frauen sind.

Meyers Filme, die er als wahrer Autor selber finanzierte, produzierte, drehte, schnitt und inszenierte, waren zwar zwangläufig billige B-Movies, die meist in entlegenden Wüsteneien in wenigen Tagen heruntergedreht werden mussten, aber in diesem engen Rahmen war er ein echter Filmkünstler, und in „Pussycat“ gelang es ihm am besten, jede Sequenz bis zum Äußersten auszureizen. Und dies, obwohl der Film für seine Verhältnisse ungewöhnlich zugeknöpft ist und in ihm nicht eine entblößte Brust zu sehen ist. Stattdessen gibt es virtuos montierte Gewaltszenen: Wenn da Rücken gebrochen, tödliche Messer geworfen oder Sportwagen in Mordwaffen verwandelt werden, ist das so rasant und kühn inszeniert wie in den Filmen von Sam Fuller, Don Siegel oder Sam Peckinpah.

Wilfried Hippen

„Faster, Pussycat! Kill! Kill!!“ läuft heute Abend um 20.30 Uhr im Kino 46. Die Veranstaltungsreihe „Überdreht“ endet an diesem Wochenende mit einem Symposium in der Galerie Rabus