piwik no script img

Archiv-Artikel

kucken se ma: auf bremens leinwand Lemmy Dinné gegen Alphaville: „Trassenkampf“ im Cinema

Der Film erklärt, warum das Kino, in dem er gezeigt wird, noch steht. Denn das ganze Ostertorviertel wäre in den 70er Jahren beinahe abgerissen worden. Stattdessen hätte man jetzt eine hässliche Betonwüste im Herzen der Stadt. Aber damals zog nicht nur ein tapferer kleiner SPD-Ortsverein in den Kampf gegen gigantomanische Städteplaner, gegen Kapital und Filz.

Vor gut 30 Jahren war die Baumaßnahme mit dem perversen Namen Mozarttrasse vom Bremer Senat schon längst beschlossen. Viele Viertelbewohner waren schon dazu genötigt worden, ihre Häuser billig zu verkaufen. Und Immobilienfirmen hatten sich die besten Grundstücke schon mit Aussicht auf fette Gewinne unter den Nagel gerissen. Wenn doch erstmal die riesige Stadtautobahn vom Rembertiring über die Weser in die Neustadt geschlagen worden ist ...

Nur ein paar linke Querulanten um den Architekten Olaf Dinné muckten dagegen auf. Sie initiierten eine Kampagne, bei der sich die Revoluzzer mit konservativen Häuschenbesitzern vereinigten, um den Senatsbeschluss auszuhebeln und so das Ostertorviertel zu retten.

Die Geschichte gehört inzwischen zum Mythos unserer Stadt. Wenn in diesen Tagen eine Dokumentation darüber erstellt wird, fragt man sich zuerst: Warum erst jetzt?

Einer der Hauptgründe mag schlicht in der menschlichen Eitelkeit liegen. Von einem gewissen Alter an haben die Mächtigen wie auch die Rebellen von einst offensichtlich das Bedürfnis, Zeugnis abzulegen, eine bleibende Spur zu hinterlassen. Vor zehn Jahren hätten der damalige Bausenator Stefan Seifriz und der Senatsbaudirektor Eberhard Kulenkampff noch nicht so offen, distanziert und ausführlich über ihre Niederlage geredet. Und dazu auch noch in die Kamera des Gegners. Denn die Bremer Filmemacherin Konstanze Radziwill gehört zum Kreis der alten Viertel-Recken um Dinné und gibt zu, sie habe einen parteiisch „ungerechten“ Film gemacht.

Manchmal glorifiziert sie dabei arg dicke. Aber das vergibt man der Regisseurin gern, weil sie sich traut, mit so erfrischend subjektiven Kommentaren wie „Heimatvertreibung auf Bremisch“ auf jeden Objektivitätsanspruch zu pfeifen.

„Trassenkampf“ ist ein Lehrstück, die Analyse wichtiger als das nostalgische Erinnern. Das wird eher nebenbei mitgeliefert – mit den historischen Filmaufnahmen.

„Trassenkampf“ ist eine solide gebaute, kunstlos wirkende Fernsehdokumentation, hat mit 45 Minuten das entsprechende Format und soll im kommenden Herbst von Radio Bremen ausgestrahlt werden. Zuvor wird im Kino der Widerstand gefeiert.

Wilfried Hippen

„Trassenkampf“: heute bis Sonntag, jeweils 17 Uhr, Cinema Ostertor; 26.5., 20 Uhr, Kino 46