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kritisch gesehenKein Gesumse

Der Hamburger Autor Alexander Posch hat einen Geschichtenband zum Mitnehmen ediert

Treffen sich drei Männer in der Kneipe und trinken je so viel Bier, wie die Primzahlen vorgeben: also eins, drei, fünf Biere, dann sieben und so weiter. Ein Kind, gelangweilt trotz Lauftraining und Klavierunterricht, sucht den Übergang in eine andere, bessere Welt. Oder zwei Freunde studieren Kunst, der eine wird erfolgreich, der andere nicht, überlebt aber: Solche Geschichten schreibt der Hamburger Schriftsteller Alexander Posch, zusammengefasst in einem wunderbaren Band: „Tage zählen“.

Komprimiert auf wenige Seiten, sind es Kurzgeschichten, fast immer Ich-Geschichten, in denen auch schon mal ein Held namens Alexander auftaucht, der durch den Hamburger Stadtteil Rahlstedt irrt, wo der Autor lebt. Man ist im Nu in der Welt, absurd ist die, zuweilen bedrohlich, immer rätselhaft, und man hängt im Nu so schön am Haken! Überhaupt regieren die kurzen, schnörkellosen Sätze, die eine Welt bedeuten; kein Gesumse, keine poetologischen Ergüsse, kein Zuviel.

„Kinder- und Geburtstagslieder. Mehr ist mir in den letzten Jahren nicht gelungen“, so auf den Punkt gebracht beginnt eine der schönsten Geschichten: über einen Komponisten, 50 Jahre alt, in Vergeblichkeit ergraut, müde, weil enttäuscht, der zu seiner eigenen Überraschung zum Stadtteilkomponisten von Hamburg-Billstedt berufen wird, wo er die Tage im örtlichen Einkaufszentrum verbringen wird. Wer war schon mal in Billstedt? Und wer im 'Billstedt Center’, 40.000 Quadratmeter Ladenfläche, 1977 eröffnet? Na also.

Posch ist ein Leseautor. Entsprechend ist die Liste seiner Zugehörigkeit zu Lesebühnen, wie man heute sagt, wenn mehr als zwei AutorInnen vor Publikum antreten, lang und geht über den heute legendären 'Macht-Club’weiter zur 'Schischischo’bis zum öffentlich entwickelten Fortsetzungsroman 'Zum wilden Igel’. Aktuell gehört er zum 'Zinnober’-Team, zusammen mit Michael Weins, Ina Barfuß, Sascha Preiß und demnächst Katrin Seddig, das monatlich ab März und da jeden letzten Donnerstag ins nun dritte Jahr geht.

So ist es gut, dass man bis dahin versorgt ist mit Poschs 29 Kurzgeschichten: „Erste Liebe“, heißt die erste, „Bananenjunge“, die letzte. Der Buchumschlag ist in herrlich zitronenhaftem Gelb gehalten, dass man das Buch schnell wiederfindet; schmal und griffig ist es zudem, passt so in jede Jackentasche, zum Mitnehmen und In-die-Welt-Tragen, weil die so knirscht und ächzt, nicht erst jetzt.

Alexander Posch: Tage zählen – Kurzgeschichten; MTA Verlag Hamburg, 2024, 160 S., 16 Euro

Lesungen in Hamburg: 18. 2., Literaturzentrum, Schwanenwik 38; 23. 2., Literatur Quickie, Tafelspitz, Himmelsstr. 5a

25. 2., Kulturwerk-Rahlstedt, Boizenburger Weg 7

Und nun die nächste Geschichte: die von der Frau, der die Kollegen zum Geburtstag ein Strickwochenende schenken, ein Verlegenheitsgeschenk, die Frau hat das letzte Mal als Kind gestrickt, bei Frau Melzer in der vierten Klasse, und es sollte ein Schal für ihren Vater werden, aber dann rippelte eine Masche auf, es wurde ein eher hässlicher Schal, über den sich der Vater trotzdem freute, bis der Schal bald zu heiß gewaschen wurde, so kann es gehen im Leben. Frank Keil

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