kritisch gesehen: Schwankhallenteam startet ganz ohne Reinfall
Sorry, so viel Kalauer muss sein: Katrin Hylla und Anna K. Becker, die neuen künstlerischen Leiterinnen der Schwankhalle haben ihre erste Saison an der Bremer Spielstätte für Performing Arts mit einem Happening auf dem Werdersee gleich hinterm Haus starten lassen. Und das zwingt zu dümmlichen Titelwitzen. Das ist so. Da müssen jetzt alle durch, wie Publikum und Akteur*innen durch den strömenden Samstagsregen. In dem fand die einzige Aufführung des von Hylla choreografierten „Bootsballetts mit Blechmusik“ statt, als erste von drei Produktionen des Eröffnungsprogramms „Rotz & Wasser“.
Und es ist ja auch nichts und niemand in die Fluten gestürzt, kein Horn, keine Tuba, kein Standup-Paddler und keine Kanutin: Hylla hat benachbarte Wassersportvereine und ansässige Freizeitdümpler zum Mittun aufgefordert. Entstanden ist eine heitere bis alberne Performance, völlig harmlos, wenn da nicht dieses Schlussbild wäre. In dem drängen alle Spieler*innen zusammen auf einer Art überfülltem Floß, während eine ostinate Bassbläser-Figur sich einfach nicht in eine Kadenz und ein harmonisches Ende fügen mochte, wie etwas, das man lieber vergäße, von dem man aber doch weiß, dass es da ist.
Becker und Hylla haben ihren Intendanzen-Auftakt genutzt, um Signale zu geben: Erstens, dass sie sich nicht ganz aufs Kuratieren zurückziehen, zweitens, dass sie eine radikale Öffnung vorhaben: „Wir wollen gemeinsam entwickeln, was Schwankhalle sein könnte“, hatte Becker diesen partizipativen Aspekt benannt, dank dessen dann eben auch der Neustädter Shantychor dort eine Bühne findet, auch wenn und gerade weil man weiter an den Wert avantgardistischerer Performing Arts glaubt: Zur Weihe einer Eröffnung passend waren als großer Schluss-Act Daniel Dominguez Teruels „Lovesongs“ zu erleben. Ausgehend von der Hymne und der von virtuosen Fahnenschwenkern gehandhabten Flagge legt diese Arbeit mit musikalischen und szenischen Mitteln, ganz ohne Text, die Konstruktion von nationalem Pathos frei, die Gesten, die es benötigt, die historische Last, die in ihm haust, und die Chancen der Öffnung, die es konsequent verpasst. Und mit wehenden Fahnen. Benno Schirrmeister
40.000 mal Danke!
40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen