kritik der woche : Mamas kleiner Sozialarbeiter
Dani findet sich blitzschnell in die Situation: Wieder mal weckt ihn seine Mutter mitten in der Nacht, wieder mal verlässt sie einen Liebhaber. „Ich kann megaschnell packen“, versichert Dani. „Ich bin der Umzugskönig.“ David S. Craigs Kinderstück „Agent im Spiel“, das im „Spielraum“ des Oldenburgischen Staatstheaters erstmalig in deutscher Übersetzung zu sehen ist, zeigt Kinder als Opfer der Erwachsenenwelt. Haltlosigkeit, zerbrechende Beziehungen, Jobverlust. Die Erwachsenen sind mit ihren Problemen beschäftigt und merken kaum, wie Kinder darunter leiden. Das ist treffende Analyse im Detail ebenso wie Schwarz-Weiß-Malerei im Ganzen.
Die Inszenierung von Ingo Putz überzeichnet das Bild noch, indem sie den Eltern von Danis Freunden keine menschlichen Stimmen gibt, sondern sie gackern lässt oder brüllen. Chancen, die sich aus dem Aufbrechen traditioneller Familienstrukturen auch ergeben könnten, sind für Craig dagegen kein Thema.
Seine Kinder zeigen sich den Erwachsenen überlegen: Sie flüchten nicht in Affären und Süchte, nur in die Welt ihrer Phantasie. Dani ist für seine Mutter Bankdirektor und Sozialarbeiter. Wenn sie ihn braucht, sind sie Freunde, wenn er sich beklagt, lässt sie mütterliche Autorität heraushängen.
Dani, das Schmuddelkind, wird zum Retter für die hochnäsige Melanie, die nicht wahrhaben will, dass ihr geschiedener Vater die Privatschule nicht mehr bezahlt, und für Mehmet, dessen arbeitsloser Vater seinen Frust an ihm auslässt. Er zeigt ihnen seine Art, Konflikte zu bewältigen: Alles, was in Danis Leben schief läuft, erklärt er zur Tarnung. In Wirklichkeit kann der Geheimdienst ihn, den Agenten, jederzeit hier herausholen. Virtuos ist choreographiert, wie Danis Phantasiewelt Raum greift. Während sich Melanie und Mehmet alleine kaum von den Türen lösen, hinter denen ihre Eltern gackern und brüllen, toben sie mit Dani traum-tänzerisch als Agenten, Fußballer und Chirurgen durch das minimalistische Bühnenbild. Wenn die Freunde in Slapstick-Manier Mehmets „Gedankenknoten“ herausoperieren, lacht man Tränen.
Erwachsene, die Kinder spielen, müssen nah an der Grenze zur peinlichen Anbiederei beim kindlichen Publikum vorbeischiffen. In Oldenburg wird das souverän gemeistert. Julia Ribbeck spielt die zickige Göre so künstlich, dass der Zuschauer Spaß an der Parodie hat. Der von Selbstzweifeln gequälte Mehmet (Manuel Klein) und der warmherzige Dani (Stefan Kiefer) dagegen sind so komplexe Persönlichkeiten, dass es manchmal scheint, als hätten sie die Kindheit heimlich hinter sich gelassen. Annedore Beelte
Nächste Termine: 1.,9.,10.11. jeweils 11h; 13.11., 17h