kritik der Woche : Senta gegen den Rest der Welt
Es darf darüber gestritten werden, ob die achtjährige Amtszeit des Osnabrücker Intendanten tatsächlich das theatralische Großereignis war, das eine Hochglanzbroschüre dieser Tage zu feiern versucht. Zugegeben, Norbert Hilchenbach ist es gelungen, in schwierigen Zeiten vorausschauend zu wirtschaften. Aber vielleicht hat gerade die in Osnabrück nicht untypische Beweihräucherung in eigener Sache dafür gesorgt, dass sich zahlreiche Spielpläne im programmatischen Niemandsland verirrten und die Städtischen Bühnen –auch im regionalen Vergleich – immer mehr an Boden verloren.
Gleichwohl zeigt Hilchenbach mit der Neuinszenierung von Wagners „Der fliegende Holländer“ eine überzeugende Abschiedsvorstellung. In Anlehnung an Harry Kupfers legendäre Bayreuth-Produktion von 1978 stellt er Sentas vermeintliche Wahnvorstellungen in den Mittelpunkt des Geschehens. Die junge Frau sehnt sich auf dem Umweg über die berühmte Sagengestalt des Holländers nach einem Leben jenseits bürgerlicher Verwertungsstrategien, doch die arbeitsame Gesellschaft hat keinen Platz für kostenlose Träumereien. Am Schluss wird Sicherheitsverwahrung angeordnet.
Für eine Aufführung in der Opernprovinz ist der Osnabrücker „Holländer“ geradezu luxuriös besetzt. Das gilt vor allem für den georgischen Bariton George Gagnidze, der in seinem schier unerschöpflichen Resonanzraum ein fesselndes Bild der Titelfigur entstehen lässt. Der frisch gekürte Preisträger des internationalen Gesangswettbewerbs Città di Busseto, der in der kommenden Spielzeit ans Nationaltheater Weimar wechselt, beeindruckt durch nuancenreiche Stimmgewalt und findet in Majken Bjerno eine kongeniale Partnerin. Die dänische Sopranistin zeigt eine harte, aber nicht verhärmte, verzweifelte, aber unbeugsame Senta. Der Kompromisslosigkeit, mit der sie ihr Ziel verfolgt, entspricht die klare Intonation, die Bjerno über weite Strecken aufrecht erhält, bisweilen aber prägnanter gestalten könnte. Bestnoten verdienen sich auch die engagierten, viel beschäftigten Chorsänger und die übrigen Solisten. Das Osnabrücker Symphonieorchester entwirft unter Generalmusikdirektor Hermann Bäumer nach anfänglichen Abstimmungsschwierigkeiten eine wuchtige Instrumentalkulisse mit Ecken, Kanten und klugen dynamischen Abstufungen. Thorsten Stegemann
Nächste Vorstellungen: 5./10./13./15. Juli 2005