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Archiv-Artikel

kommentar Im Krieg mit Bildern hat das US-Militär seine absolute Überlegenheit verloren

Im Irak finden derzeit mindestens zwei Kriege statt. Einer, in dem US-amerikanische und britische Truppen, mit Panzer- und Hubschraubersymbolen dargestellt, entlang von Pfeilen auf einen gelben oder roten Punkt vorrücken, der per Schriftzug als „Bagdad“ zu identifizieren ist. Dieser Krieg ist unterlegt mit Zitaten von US-Präsident George W. Bush („Wir werden kein anderes Ergebnis akzeptieren als den Sieg“), Falschmeldungen („In Basra hat sich eine gesamte Division der irakischen Armee ergeben“), schwarzweißen Luftaufnahmen mit Gebäuden und farbigen Bildern von Rauchsäulen über irakischen Städten. Das ist der Krieg des Pentagons, der Krieg der Angreifer. In diesem Krieg gibt es keine Zweifel außer über seine Dauer. Jeder Widerstand verzögert nur das Unvermeidliche, das Notwendige, Richtige und Gute.

 Dann gibt es den anderen Krieg. Der läuft, wenn überhaupt, bei al-Dschasira, er ist hässlich und blutig. Er besteht aus verletzten und getöteten Zivilisten, erschossenen Marines und gedemütigten US-Kriegsgefangenen. Dieser Krieg ist orchestriert mit Durchhalteaufrufen von Saddam Hussein („Der Sieg ist nah!“) und wütenden Demonstrationen in arabischen Hauptstädten. Es ist der Krieg der Angegriffenen. Die Bilder stützen ihre Sache. Zugleich illustrieren und legitimieren sie die Befürchtungen der Kriegsgegner in den Ländern der Angreifer. Diese Allianz gehört nicht zusammen, aber ihre Teile ziehen sich magisch an.

 Der Kampf um die richtigen Bilder gehört inzwischen zur traditionellen Kriegführung. Doch die immer bessere Technik verbessert nur die Geschwindigkeit, nicht aber die Genauigkeit der medial verbreiteten Informationen. Die US-Armee nimmt hunderte von Kriegsreportern mit auf Irak-Safari – aber was die „Eingebetteten“ liefern, ist bestenfalls der gesäuberte Rohstoff für zukünftige Heldensagas mit Mel Gibson in der Hauptrolle. Nach Ansicht des Pentagons ist diese Methode ein guter Konter auf die Kritik im Golfkrieg von 1991, den Medien werde außer Videospielen überhaupt nichts gezeigt. Wer nichts zu sehen bekommt, wird misstrauisch.

 Doch die bloße Existenz von al-Dschasira entreißt den US-Militärstrategen das Informationsmonopol. Jetzt steht die Bilderflut der Angreifer gegen die Bilder der Angegriffenen. Es ist ein und derselbe Krieg, der unterschiedlich beschrieben wird. Dem, was wirklich passiert, kommen wir damit zumindest ein Stückchen näher. BERND PICKERT