kommentar : Egal wer das Blutbad in Madrid anrichtete – die ETA ist am Ende
Sobald die Trauer um die Opfer von Madrid dem Alltag wieder Platz macht, wird die Frage nach dem „Was nun“ unausweichlich. Noch beteuert Regierungschef José María Aznar, dass sich nichts ändern wird, egal „ob die Terroristen morden oder nicht“. Die Verfassung sei die unverrückbare Grundlage für die erst 25 Jahre junge spanische Demokratie. So stand es auch auf den Transparenten, die überall im Lande die Massendemonstrationen anführten. „Mit den Opfern, mit der Verfassung“.
Dennoch wird nach dem „11-M“ nichts mehr so sein wie zuvor – egal wer für die Bomben auf die Pendlerzüge verantwortlich ist. Noch gibt es in Spanien keine hysterische Sicherheitsdebatte, wie sie der rechte Flügel der Union in Deutschland einmal mehr anzetteln möchte.
Der Schlag traf Madrid und das ganze Land allerdings so heftig, weil man gerade in den letzten Jahren gewohnt war, dass die Polizei die Sicherheit gewährleisten konnte. Zwar gelang es der baskischen Separatistenorganisation ETA immer wieder, Anschläge zu verüben. Doch wurden es immer weniger und die Fahndungserfolge und Verhaftungen immer mehr. Doch dann kamen die Bomben auf die Züge.
Sollte sich herausstellen, dass al-Qaida hinter der Bombenserie steckt, müsste sich Spanien die Sicherheitsfrage ganz neu stellen. Die bisher wirksame Antiterrorpolitik würde dann nicht mehr ausreichen. Regierung und Opposition müssten zusammenfinden, um die Sicherheit zu gewährleisten, ohne dabei die Bürgerrechte allzu stark einzuschränken. Eine solche politische Koalition wäre alles andere als leicht. Denn die Regierung hat mit ihrer Unterstützung des Irakkrieges – gegen die große Mehrheit der Bevölkerung – Spanien überhaupt erst ins Fadenkreuz radikaler Islamisten gebracht.
Auf jeden Fall steht eines jetzt schon fest: Egal ob die baskischen Separatisten oder al-Qaida das Blutbad anrichteten – die ETA ist politisch am Ende. Nach dem Massaker vom Mittwoch wird niemand mehr einen Dialog mit denen vertreten, die mit dem Gedanken an große Anschläge, ein Blutbad inbegriffen, spielen. Schließlich wurden noch kürzlich mehrere schwere Sprengsätze der ETA rechtzeitig gefunden.
Die Trauermärsche im ganzen Land ließen dieses neue politische Klima bereits spüren. In der Unterzeile der Transparente war erstmals nicht mehr, wie bei früheren Gelegenheiten üblich, „Frieden jetzt“ oder Ähnliches zu lesen. „Die totale Niederlage des Terrorismus“ wurde dort gefordert. REINER WANDLER