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Archiv-Artikel

klimacamp-tagebuch (lll): Trommeln, drucken, schnibbeln

MARTINA HELMKE, 20, angehende Studentin der Ethnologie in Hamburg, berichtet bis Freitag für die taz von ihren Eindrücken als Teilnehmerin des Antira- und Klimacamps in Lurup.

An meinem ersten Morgen im Camp werde ich unfreundlich geweckt von den allzeit über unsere Köpfe hinweg fliegenden Klimakillern. Ob das Absicht ist? Ganz wie zuhause, wird beim Frühstück erstmal die Zeitung, wovon es hier immer reichliche gibt, durchstöbert. Wem das zu lange dauert, der kann sich auch mit seinem Becher „Kaffee für den täglichen Widerstand“ ins Pressezelt begeben und sieht dort gleich auf einen Blick, was die Welt da draußen so über einen verkündet.

Während ich mich gerade entscheide, den Tag hier auf dem Campgelände zu verbringen, herrscht um mich herum reges Treiben. Auch Alain, den ich gestern getroffen hatte, stürmt an mir vorbei um sich nach Lübeck aufzumachen zur Frontex-Hauptzentrale. Andere werden noch durch das Megaphon an die geplante Blockade einer Agrodieselanlage erinnert um gegen diese wesentliche Ursache der globalen Erwärmung zu demonstrieren. Übrig bleiben am Ende einige wenige Langschläfer und Ausspanner.

Die Atmosphäre erscheint mir wie betäubt bei meinem kleinen Spaziergang durch die unterschiedlichen Barrios. Da ist das Antifaschistische Barrio, das Altermondialistische (globalisierungskritische) Barrio, Öko-Anarcho-Barrio... Doch nicht alle, die ich dort dösend oder lesend auf der Wiese liegend antreffe, sind mit dieser Struktur zufrieden. Es sei zwar angenehm, sich beim Ankommen direkt einer Gruppe zugehörig zu fühlen, beinhalte jedoch auch das Risiko von Abschottung, meint einer, hinter dessen Campingstuhl der Plena-Plan seines Barrios hängt. Und dass es nicht immer reibungslos abläuft zeigt auch die spontane Gründung eines kleinen „Spalter-Barrios“ oder das etwas versteckte Anti-Barrio-Barrio.

Mich bestärkt diese Struktur vor allem in dem Gefühl, Bewohner eines richtigen Städtchens zu sein:Es gibt Cafés, ein Internetzelt, einen Spielplatz, den Umsonstladen, neben dem später noch die offene Schule einen Drum Circle anbietet in dem wir auf Trommeln, Tellern uns Plastikeimern so vor uns hin musizieren... Erst jetzt bemerke ich, wie viele junge Familien hier sind. „Man kann zwar nicht alles mitmachen“, sagt ein Vater, doch sein Sohn, der „weder Fernsehen noch Cola kennt“, könne sich hier gut beschäftigen. Am Ende meines Rundgangs spricht Claudia aus Potsdam dann aus, was ich denke: „Wenn man hier ankommt, ist das wie nach Hause kommen. Das Essen ist fertig, man kümmert sich um dich.“ So verbringe dann auch ich die Mittagsstunden mit Gemüseschnibbeln in der Vokü; der einfachste Weg mit anderen Teilnehmern ins Gespräch zu kommen. Dabei erfahre ich auch, dass der Mangold, den es heute gibt, mit der Erlaubnis eines lokalen Bauern frisch vom Feld gepflückt wurde.

Während andere die freie Zeit mit Malen verbringen oder auf aufblasbare Gummisäulen einprügeln, lege ich mich auf einen großen, bunten Teppich und beobachte zwei Clowns, die damit beginnen jegliche Pfähle und Begrenzungsleinen auf dem Gelände zu kappen und sich ihr eigenes völlig verschlungenes Barrion zu bauen um schließlich mit ernster Miene drin zu thronen. So ganz verträumen tue ich den Tag am Ende doch nicht sondern bedrucke stattdessen noch kreativ meinen langweiligen braunen Pulli und lasse mir in einem spontan angesetzten Workshop erklären, wie ich meine E-Mails so verschlüssle, dass sie keiner lesen kann – auch in tausenmilliarden Jahren nicht!