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Archiv-Artikel

kidnapped by candice breitz Jetzt spielen Sie in meinem Film

Die in Berlin lebende Südafrikanerin Candice Breitz (32) ist fester Bestandteil des internationalen Ausstellungswesens. „Mother + Father“ wurde auf der Biennale in Venedig gezeigt, im Oldenburger Edith-Ruß-Haus war vor drei Jahren „Total überzogen“ zu sehen.

taz: In Turin und Venedig haben Sie die Installation „Mother + Father“ ausgestellt. Wo ist jetzt der Vater geblieben?

Candice Breitz: Für den war hier im Haus kein Platz, räumlich gesehen. Aber „Mother“ funktioniert auch alleine. Im richtigen Leben scheiden sich die Leute ja auch.

Sie zeigen hier sechs im wörtlichen Sinn alleinstehende Mütter, jeweils heraus geschnitten aus ihrem filmischen Kontext. Wie haben Sie die ausgewählt?

Ich habe einfach die Filme herausgesucht, die den Fokus am intensivsten aufs Muttersein legen. Ich will keine Titel nennen, aber zum Beispiel ist Julia Roberts als Stiefmutter dabei oder Shirley McLaine als mütterliche Diva, die mit ihrer Tochter konkurriert.

Es geht also um Klischees.

Die Arbeit isoliert Hollywood-Klischees von ihren originalen Kontexten und verdichtet sie zu einem absurden Extrem. Allerdings bin ich keine Moralistin. Die Klischees in eine neue Komposition einzuflechten wirft natürlich viele Fragen nach Elternschaft auf und danach, wie sie medial präsentiert wird – ohne notwendigerweise Antworten zu geben. Ich vertraue darauf, dass die Betrachter ihre eigenen Schlüsse ziehen.

Finden Sie, Hollywood ist eine Art weltweiter Super-Nanny à la RTL?

Die kenne ich leider nicht, aber ich werde mir das mal anschauen. Die Stereotypen – etwa der hysterischen oder der sich selbst verleugnenden Mutter – sind in der Tat sehr stark. Wenn ich mit diesem Material arbeite ist es oft ein richtiger Kampf, um die Frauen aus ihren Rollen heraus zu kriegen. Bis ich sagen kann: Jetzt spielen Sie in meinem Film.

Sind die Schauspielerinnen damit denn einverstanden?

Ich frage nie nach, weil ich nicht ans Copyright glaube. Wir können uns ja auch nicht entscheiden, ob wir an Kultur teilnehmen oder nicht – sie ist allgegenwärtig. Wenn wir alles nur passiv konsumieren, ist es sehr ungesund. Also verwende ich die Figuren als Rohmaterial, um etwas Eigenes daraus zu machen. Das Copyright zu ignorieren ist eine politische Entscheidung, auch für das damit verbundene Risiko habe ich mich entschieden – als Künstler muss man sein Feld verteidigen.

Was aber auch für Schauspielerinnen gilt, oder?

Einige haben die Installation gesehen, bisher gab es keine Klagen.

Wobei Sie so einen Urheberrechts-Prozess doch auch zur Performance machen könnten.

Ich bin keine Performerin, sondern Künstlerin.

Sind Sie auch Mutter?

Nein. Aber ich bin Kind.

Und wie findet Ihre Mutter die Installation?

Sie war ganz schön geschockt.

Interview: Henning Bleyl