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Archiv-Artikel

kein lied für riga von RALF SOTSCHECK

Dürfen wir uns nun endlich darüber lustig machen? Senait und die taz sind bei der deutschen Vorentscheidung zum europäischen Schlagerwettbewerb gescheitert – trotz des beherzten Einsatzes von Claudia Roth. Ich hatte dank Satellitenschüssel das zweifelhafte Vergnügen, das Spektakel in der Einsamkeit der irischen Westküste mitzuverfolgen.

Es war grauenhaft, was sich in Kiel abspielte. Der Moderator, dessen Namen ich absichtlich vergessen habe, wähnte sich allerdings vorübergehend in Bremen. Hat die taz für diesen Unfug, der nicht mal einen satirischen Unterhaltungswert hat, wirklich seit Monaten mit verbissener Ernsthaftigkeit die Werbetrommel gerührt? Zunächst schien die Idee ja durchaus attraktiv: „Das Paralleluniversum Schlagergrandprix zu beschreiben, indem man seinen Fuß auf dieses seifige Terrain setzt, kann einen Versuch wert sein“, schrieb Wiglaf Droste in seiner Freitagskolumne, die nicht erscheinen durfte. „Wenn man wüsste, was man und warum man es tut, könnte man das sehr schön machen: souverän, sich der eigenen Rolle im Spielchen bewusst, humorvoll, die Manierismen des Gewerbes beleuchtend, bei aller Freude am Unfug die Distanz wahrend und entsprechend selbstironisch tongue-in-cheek.“

Man kann das aber auch anders machen. Senaits Lied war sicher nicht das schlechteste. Aber um die Musik geht es ja gar nicht. Es geht darum, einen Dreh zu finden, der sich vermarkten lässt und Stimmen fängt. Die einen schicken eine deutsch-türkische Combo ins Rennen, die anderen ein deutsch-polnisches Ensemble: „Liebe macht Spaß.“ Das nimmt man dem rothaarigen Sänger, der im roten Bühnenbild unterging, nicht ab: Er grölte die Liebeserklärung, wie man es in irischen Kneipen jeden Abend zum Zapfenstreich hört und noch nie ernst genommen hat.

Populäres Thema war am Freitag in der Ostseehalle auch der drohende Krieg. „Für Frieden ohne Krieg“, rief ein Teilnehmer nach seinem Song. Genau: Für vegetarische Lasagne ohne Hackfleisch! Wenn das die letzte Hoffnung auf eine friedliche Lösung im Irak ist, dann gute Nacht.

Als vor der Stimmabgabe noch mal alle Lieder kurz angespielt wurden, war klar, dass sie sich gar nicht unterscheiden. Man merkte nicht, wann ein Lied aufhörte und das nächste anfing. Vielleicht sollte man die 14 Kandidaten zusammen nach Riga schicken, jeder bekommt 15 Sekunden. Für jeden ist dann irgendetwas dabei. Oder auch nicht. Wer hat gewonnen? Ich weiß es nicht mehr. Es ist auch egal. Der Moderator behauptete, dass die Präsidentin von Lettland, deren Land im vorigen Jahr gewonnen hat, „bestimmt gerade zuschaut“. Natürlich. In so einem putzigen Land hat die Präsidentin nichts Besseres zu tun. Und dann fährt sie mit Jim Knopf in seiner Lokomotive nach Lummerland. Leider geriet dem Moderator auch hier die Geografie durcheinander, er verlegte Riga kurzerhand nach Litauen.

Was soll man dazu sagen, außer Droste zu zitieren: „Dieses lehren uns die Schlichten: Freundlich lächeln. Weiterdichten.“