kabinenpredigt : Klubs als Marke
Profiklubs fühlen sich ja schon lange nicht mehr nur der Sphäre des Sports zugehörig. Stolz verweisen sie darauf, dass sie mit ihren Millionenumsätzen in den Rang von Wirtschaftsunternehmen aufgestiegen sind. Dieses Bewusstsein schlägt sich auch in ihrem Sprachgebrauch nieder. Oft wird nicht mehr von der Hertha, Alba, den Eisbären oder den Füchsen gesprochen, sondern von einer Marke, die man besser verkaufen möchte. Und die Zuschauer nennt man dann Kunden.
Zur Steigerung des Markenwertes werden teure Werbe- und Imagekampagnen in Auftrag gegeben. Ob sich das wirklich rechnet, weiß keiner so genau. In Berlin kann man sich derzeit nicht des Eindrucks erwehren, dass die Vereine allein schon deshalb tätig werden müssen, um die öffentliche Aufmerksamkeit nicht der Konkurrenz zu überlassen. Eine Kampagne löst die nächste ab. Im Herbst begannen die Basketballer von Alba Berlin mit dem Slogan: „Dein Leben ist zu kurz für langweilig.“ Anfang des Jahres folgten die Handballer von den Füchsen („Wir sind die Jäger“). Hertha plakatierte vergangene Woche unter dem Motto „Aus Berlin für Berlin“. Und die Eisbären haben ebenfalls einen Werbefeldzug für die kommenden Wochen angekündigt.
Bei diesem Produktionszwang verwundert es nicht, dass sich etwa die Hertha-Kampagne nicht so ganz auf der Höhe der Zeit befindet. Gewiss ist der Slogan „Aus Berlin für Berlin“ aussagekräftiger als das vorherige Hertha-Motto „Play Berlin“, dessen Botschaft den meisten ein Rätsel blieb. Aber ausgerechnet jetzt, da man in den vergangenen neun Monaten elf ausländische Spieler unter Vertrag nahm, mit den letzten verbliebenen Berliner Mohikanern zu werben, das wirkt doch zu sehr gewollt.
Schaden wird es aber auch nicht. Maßgeblich für den Stellenwert eines Vereines bleibt der sportliche Erfolg. Deshalb werden „die Kunden“ im Sport vermutlich nie so sehr mit Freundlichkeit terrorisiert werden, wie das mittlerweile in Supermärkten der Fall ist. Man kann sich nur schwerlich vorstellen, dass eines Tages jeder einzelne Hertha-Fan darüber Auskunft geben muss, ob ihm der Stadionbesuch gefallen habe und ob er Verbesserungsvorschläge einbringen möchte. JOHANNES KOPP