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Archiv-Artikel

kabinenpredigt Dabei sein

Macht der Boykott der Olympischen Spiele in Peking Sinn? In welchem Rahmen dürfen Sportler bei ihren Wettkämpfen gegen Chinas Tibetpolitik protestieren? Diese derzeit häufigen Fragen veranschaulichen gut, wie viel Sport und Politik miteinander zu tun haben.

Um diesen Zusammenhang herauszustellen, ist man natürlich nicht allein auf das größte Sportereignis der Welt angewiesen. Vor wenigen Tagen etwa hat der Tagesspiegel erfahren, dass Bundeskanzlerin Angela Merkel in diesem Jahr nicht mehr Schirmherrin des Internationalen Stadionfestes (Istaf) in Berlin sein möchte. Im Kanzleramt war man zwar bemüht, die Bedeutungslosigkeit dieser Entscheidung zu betonen. Es hieß, die Kanzlerin wolle für andere Veranstaltungen offen sein. Doch seit wann schließt die Übernahme einer Schirmherrschaft andere aus? Eine dürftige Erklärung, zumal wenn man bedenkt, dass das größte deutsche Leichtathletik-Meeting seit über 20 Jahren mit den Namen des jeweiligen Kanzlers um Aufmerksamkeit wirbt.

Die Aufkündigung dieser Tradition lässt auf tiefgründigere Motive schließen. Der Tagesspiegel will aus „Führungskreisen des Sports“ gehört haben, Merkel sei verärgert, dass im letzten Jahr die erfolgreichsten deutschen Werfer bei dem Istaf nicht an den Start durften, darunter Weltmeisterin Franka Dietzsch, die aus Merkels Wahlkreis stammt. Dass die meisten Wurfdisziplinen im Istaf-Programm fehlten, hatte kürzlich gar Innenminister Wolfgang Schäuble kritisiert: „Die wenigen Spitzenathleten, die wir haben, müssen wir auch auftreten lassen.“

Wer deutsche Erfolge als unabdingbar für die nationale Sebstvergewisserung betrachtet, kommt beim Istaf gewiss nicht auf seine Kosten. Die Veranstalter konzentrieren sich auf die Lauf- und Sprungdisziplinen, bei denen man vornehmlich die amerikanische, russische und afrikanische Überlegenheit bewundern kann. Das scheint auch Angela Merkel zu missfallen. Ihr Rückzug wird der deutschen Schwerathletik kaum helfen. Den Istaf-Organisatoren kann er schaden, weil sie kämpfen müssen, über das Jahr 2009 hinaus eine der sechs Stationen der renommierten „Golden League“-Serie zu bleiben. JOHANNES KOPP