kabinenpredigt : Jugend trainiert
Ferien in Berlin. Eine Woche haben die Schülerinnen und Schüler frei. Das ist wenig für einen richtigen Urlaub. Deshalb haben nicht wenige Eltern ihre Kinder gleich nach Unterrichtsende von der Schule abgeholt.
Doch nicht alle von ihnen sind auch wirklich losgekommen. Zumindest nicht sofort. Heiße Diskussionen wurden am Schultor geführt.
„Das ist unfair, ihr wisst doch genau, dass ich heute Training habe“, ist so ein Satz, den so mancher Elternteil am Freitag gehört haben dürfte.
„Das kann man doch auch einmal ausfallen lassen“, ist so eine Antwort, die so mancher Elternteil darauf gegeben haben könnte.
Tränen fließen. Zwischen den Generationen werden harte Verhandlungen geführt. Und am Ende setzt sich doch das Kind durch. Es hat die besseren Argumente. „Ihr habt überhaupt nicht abgesagt. Wenn ich nicht komme, muss ich das nächste Mal drei Strafrunden um den Platz laufen. Mindestens. Außerdem macht sich der Trainer dann vor allen anderen die ganze Zeit über mich lustig. Und dann darf ich nicht mit auf die Vereinsfahrt. Da fahren sonst alle mit. Den Max hat der Trainer das letzte Mal so lange gewürgt, bis er ganz rot im Gesicht war, nur weil er im Spiel gegen Kickers Hirschgarten einen falschen Einwurf gemacht hat. Was meinst du, was der macht, wenn ich einfach so nicht komme. Und außerdem komme ich so nie in die erste Mannschaft ?“
Den Eltern fällt nicht mehr viel ein. „Was? Der hat den Max gewürgt?“, fragt die Mutter entsetzt nach.
„Ja, aber der Einwurf war wirklich falsch.“
„Ach so.“
Die Fahrt in den Urlaub beginnt drei Stunden später. Der Sohn darf noch trainieren. Zum ersten Mal sehen die Eltern ihrem Sohn dabei zu. Der Trainer brüllt so laut, dass die Eltern mit einem Mal Verständnis dafür haben, dass Anwohner eines Sportplatzes wegen Lärmbelästigung gegen das Bezirksamt klagen. Die Kinder werden alle mit Mädchennamen angeschrien. Ihr Erik heißt im Fußballclub Erna.
„Das macht der, weil wir so schlecht spielen wie Frauen“, erklärt Erik, als sich die Familie später wieder im Auto zusammengesetzt hat. Er ist glücklich. Die Eltern wundern sich.
„Fußballspielen macht einfach Spaß“, erklärt Erik.
Das Kind ist den Eltern ein Rätsel. „Ob das schon die Pubertät ist?“, fragt sich die Mutter. Im Urlaub werden sie Eriks neunten Geburtstag feiern. ANDREAS RÜTTENAUER